Waldbrände: Giftiger Qualm in Moskau stärker
Die Feuersbrunst in Russland bedroht erneut ein atomares Forschungszentrum. In Moskau leiden die Bewohner wegen des giftigen Qualms nahe gelegener Torfbrände unter Atemnot. Berlin schickt als Soforthilfe 100.000 Atemschutzmasken nach Russland.

Erneut bedrohen die verheerenden Waldbrände in Russland ein atomares Forschungszentrum. Diesmal ist das Russische Föderale Atomzentrum in Sneschinsk am Ural betroffen. Die Flammen in der Region mehr als 1.500 Kilometer östlich von Moskau seien aber unter Kontrolle, sagte Zivilschutzminister Sergej Schoigu nach Angaben der Agentur Interfax am Sonntag. Zuvor hatten mehr als 2.000 Feuerwehrleute und Soldaten erst nach tagelangem Kampf die Brände rund um das atomare Forschungszentrum in Sarow rund 400 Kilometer östlich von Moskau gelöscht. Die Stadt Sneschinsk darf nur mit einer Sondererlaubnis betreten werden.

Minister zuversichtlich - Brände weiten sich aus

Der Minister kündigte zudem einen Großeinsatz gegen die Torfbrände in der Umgebung von Moskau an. Die Bewohner der Hauptstadt hätten den Rauch und den Smog satt, sagte Schoigu. Er sei zuversichtlich, dass die Feuer in den kommenden fünf bis sieben Tagen gelöscht würden.

Unterdessen breiteten sich die Waldbrände trotz internationaler Hilfe landesweit aus. Zwar gaben die Behörden erste Erfolge im Kampf gegen die Feuersbrunst bekannt. Doch allein in den vergangenen 24 Stunden brachen mehr als 250 neue Brände aus. Mittlerweile stehen 200.000 Hektar Land in Flammen.

Rauch erreicht St. Petersburg

Moskau liegt zunächst aber weiter unter einer giftigen Qualmglocke. In der Hauptstadt sank die Sichtweite wegen des Rauchs der Torfbrände in der Umgebung stellenweise auf unter 50 Meter. Der Wert von Kohlenmonoxid in der Luft stieg auf weit mehr als das Sechsfache des zulässigen Grenzwertes. Andere Schadstoffe überschritten die Norm gar um das Neunfache. An den Moskauer Flughäfen kam es zu stundenlangen Verspätungen. Mehrere Flüge wurden gestrichen oder in andere Städte umgeleitet.

Der Rauch erreichte am Sonntag auch die zweitgrößte Stadt St. Petersburg. Dort nahmen Passanten Brandgeruch wahr. Starker Wind habe den Qualm von den Torffeuern rund um Moskau nach Nordwesten getrieben, hieß es.

Die Feuer sollten nun rund um die Uhr bekämpft werden, sagte Vize-Zivilschutzminister Alexander Tschuprijan. Bislang seien die Brände nachts lediglich kontrolliert worden. Russland erlebt derzeit eine Rekord-Hitze mit Temperaturen um 40 Grad.

Deutschland, Frankreich und Polen senden Hilfe

Die Bundesregierung will an diesem Montag 100.000 Atemschutzmasken nach Moskau schicken. Zudem stelle Deutschland Schläuche, Pumpen und weiteres Gerät zur Verfügung, teilte das Bundesinnenministerium in Berlin am Samstag mit. Das russische Zivilschutzministerium habe um entsprechende Unterstützung ersucht. Berlin hatte Moskau wiederholt Hilfe angeboten.

Frankreich schickt nach Medienberichten ein Löschflugzeug sowie 120 Feuerwehrleute. Zudem entsendet Paris Brandbekämpfungsexperten sowie Dutzende Fahrzeuge. Italien bot ebenfalls an, mehrere Flugzeuge zur Verfügung zu stellen. Aus Polen waren 155 Feuerwehrleute auf dem Weg nach Russland.

Ärzte warnen vor Gesundheitsschäden

Nach offiziellen Angaben starben bislang mehr als 50 Menschen infolge der Wald- und Torfbrände. Hunderte Verletzte liegen in Krankenhäusern, Tausende sind auf der Flucht vor den Flammen. Russische Hilfsorganisationen schätzen, dass die Zahl der Toten weit höher liegt. Kremlchef Dmitri Medwedew spendete aus eigener Tasche knapp 9.000 Euro für die Brandopfer. Hohe Beamte sollten sich daran ein Beispiel nehmen, sagte Medwedews Sprecherin Natalia Timakowa.

Ärzte in Moskau warnten vor erheblichen gesundheitlichen Problemen. Hunderte Menschen ließen sich wegen Beschwerden in Kliniken behandeln. Der Rauch drang auch in die bis zu 85 Meter tiefen Schächte der weltberühmten Metro vor.

Die Bevölkerung wurde aufgerufen, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben oder gleich die Stadt zu verlassen. Auf den internationalen Flughäfen kam es wegen der schlechten Sicht zu langen Verspätungen. Mehrere Flüge wurden in andere Städte umgeleitet. Der Smog werde nicht vor Mittwoch kommender Woche abziehen, sagten Meteorologen.

USA, England und Frankreich sprechen Reisewarnung aus

Landesweit kämpften Hunderttausende Feuerwehrleute, Soldaten und Freiwillige mit teils primitiven Mitteln gegen die verheerende Feuersbrunst. Dicker Rauch behinderte die Löscharbeiten aus der Luft. In der Nähe von Perm am Ural mussten knapp 180 Patienten und Betreuer einer einer neuropsychiatrischen Einrichtung in Sicherheit gebracht.

Die USA, Großbritannien und Frankreich rieten von nicht notwendigen Reisen nach Moskau und in die Waldbrandgebiete ab. Am Vortag hatte bereits das Auswärtige Amt einen entsprechenden Sicherheitshinweis veröffentlicht. Vor allem chronisch Kranke, ältere Menschen sowie Kinder sollten die betroffenen Regionen meiden. Russlands oberster Amtsarzt Gennadi Onischtschenko kritisierte die Reisewarnungen als "unfreundlichen Akt".

dpa