EKD-Chef Schneider fordert höhere Hartz-IV-Regelsätze
Die soziale Debatte geht weiter: Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat sich am Sonntag für eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze ausgesprochen. Im Gespräch mit ZDF-Moderator Peter Hahne sagte Schneider, die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Hinweis auf eine menschenwürdige Existenz sei eindeutig: "Die Hartz-IV-Sätze müssen nach oben gehen."

Zugleich sprach sich Schneider, der auch Präses der rheinischen Landeskirche ist, mit Blick auf die Förderung armer Kinder für eine finanzielle Stärkung von Bildungseinrichtungen aus. "Das Geld muss eher ins System, etwa in Kitas und Musikschulen." Arme Kinder dürften jedoch nicht diskriminiert werden, mahnte Schneider. Das System einer Familienkarte, wie es in Stuttgart bestehe, sei daher überlegenswert.

"Frage der Menschenwürde"

Der evangelische Theologe, der mit dem CDU-Politiker und Wirtschaftsexperten Josef Schlarmann zu Gast im Studio war, warnte davor, in der aktuellen Debatte um die geforderte Neuberechnung von Hartz IV gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Verantwortung voneinander zu trennen oder gar gegeneinander auszuspielen. "Die Frage der Menschenwürde kann nicht nur mit Geld gelöst werden."

Auch die schwer vermittelbaren Fälle in der Gruppe der Hartz-IV-Empfänger dürften nicht aus dem Blick der politischen Verantwortung geraten. Finanzielle und soziale Unterstützung müssten ineinandergreifen, forderte Schneider. Soziale Fähigkeiten und Motivation seien auch für sogenannte Verweigerer erlernbar. Damit widersprach er Schlarmann.

Schneider stimmte mit dem CDU-Politiker jedoch darin überein, dass das untere Lohnniveau zu niedrig sei. Der Theologe erinnerte daran, dass die betroffenen Niedrigverdiener daher auf staatliche Unterstützung angewiesen seien, "wovon auch die Wirtschaft in Form von Gewinnen profitiert". Schlarmann, der Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU war, sprach sich gegen eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze aus.

Westerwelle: Arbeit muss sich lohnen

FDP-Chef Guido Westerwelle und der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Josef Schlarmann wandten sich gegen eine Erhöhung der Regelsätze für Erwachsene. "Es muss so sein, dass derjenige, der arbeitet, auch ganz persönlich davon etwas hat und sich Arbeit wirklich lohnt", sagte Westerwelle in einem Interview der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe). Allerdings müsse die Hilfe bei den Kindern wirklich ankommen, fügte der Vizekanzler und Außenminister hinzu.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier rechnet bei der Neugestaltung von Hartz IV mit höheren Sätzen für Kinder. "Ich glaube, dass man daran kaum vorbeikommt", sagte er in einem Interview des Deutschlandfunks am Sonntag.

Bildungsgutscheine umstritten

Der Deutsche Städtetag unterstützt die Idee von Bildungsgutscheinen. Ein Chip- und Anrechnungssystem werde derzeit in Stuttgart getestet, sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus der "Welt am Sonntag". Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warb für die Idee, die sie zusammen mit Arbeitsministerin und Parteikollegin Ursula von der Leyen verwirklichen will. Dabei sollten auch die Bildungschancen derjenigen benachteiligten Kinder verbessert werden, deren Eltern nicht Hartz IV beziehen.

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hingegen lehnt Bildungsgutscheine für Kinder von Hartz-IV-Empfängern ab. Gutscheine seien "ein kollektives Misstrauensvotum gegen Langzeitarbeitslose und wirken diskriminierend", sagte Haderthauer der "Berliner Zeitung" (Samstagsausgabe). Besser sei es, dass Jobcenter für die Kinder von Arbeitslosen direkt Nachhilfe und Sportstunden bezahlten.

epd