Entsetzen nach bisher schwerstem Angriff auf Helfer
Drei Frauen - unter ihnen eine Deutsche - und sieben Männer sind tot: Es ist der bislang folgenschwerste Angriff auf Helfer in der Geschichte des Landes. Die betroffene Hilfsorganisation IAM will ihre Arbeit am Hindukusch dennoch fortsetzen. Sie dementiert entschieden, dass ihre Mitarbeiter christlich missionierten.

Der bislang schwerste Angriff auf ausländische Helfer in Afghanistan hat international Entsetzen ausgelöst. Die Bundesregierung verurteilte den "feigen Mord" und forderte die Bestrafung der Täter. Trotz des Todes von einer Deutschen, fünf Amerikanern, einer Amerikanerin, einer Britin und zwei Afghanen will die betroffene christliche Hilfsorganisation International Assistance Mission (IAM) ihre Arbeit am Hindukusch fortsetzen. IAM wies zugleich die Anschuldigung der Taliban zurück, die Helfer hätten missioniert.

IAM-Direktor Dirk Frans nannte es am Sonntag "hochgradig unwahrscheinlich", dass sich IAM zurückzieht. "Wir sind seit mehr als 44 Jahren hier." Die deutsche Christoffel-Blindenmission, die mit der IAM zusammenarbeitet, will ihre Projekte in dem Land aber zunächst aussetzen. Nach Angaben der Polizei waren die Helfer, die als mobiles Augenarzt-Team arbeiteten, am Donnerstag im Nordosten Afghanistans erschossen worden.

"Keine christlichen Missionare"

Die Taliban bekannten sich zu der Tat und nannten die Helfer "christliche Missionare", die spioniert hätten. Frans nannte das eine "Lüge". IAM sei eine christliche Organisation und als solche bei der Regierung registriert, sagte er. "Aber wir predigen nicht das Christentum, wir verteilen keine Bibeln. Das ist nicht unsere Arbeit. Wir machen die Arbeit, auf die wir uns mit der Regierung geeinigt haben."

Frans sagte, er hoffe, dass die Leichen noch am Sonntag nach Kabul geflogen werden könnten. Bevor sie nicht eindeutig identifiziert seien, wolle er weder Tote offiziell bestätigen noch Namen der mutmaßlich Betroffenen nennen. Nach seinen Angaben arbeitete ein Teil der Opfer fest bei IAM, andere waren Experten, die wegen ihres Fachwissens für die Mission engagiert worden waren.

Die "Bild am Sonntag" berichtete, das deutsche Opfer habe als Dolmetscherin gearbeitet. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigte am Sonntag den Tod einer Deutschen noch nicht. Nach der Ermordung der Helfer nahm die afghanische Polizei nach BBC- Informationen einen Fahrer ihres Konvois fest.

Die Täter waren Taliban - oder Kriminelle

Unklar blieb, wer die Morde verübte. Aussagen der Taliban, die sich zu der Tat bekannten, sind nicht immer glaubwürdig. In der Region agieren sowohl Aufständische als auch kriminelle Banden.

Die Leichen der Helfer waren in einer entlegenen Bergregion im Grenzgebiet zwischen der relativ ruhigen Provinz Badachschan und der weitaus gefährlicheren Provinz Nuristan gefunden worden. Bei der Britin handelt es sich nach BBC-Angaben um die Ärztin Karen Woo. Einer der erschossenen Amerikaner war danach der Arzt Tom Little. Er habe die Gruppe geleitet, sei sehr erfahren gewesen und habe seit mehr als drei Jahrzehnten in Afghanistan gearbeitet.

Politische Stabilisierung angemahnt

Der französische Außenminister Bernard Kouchner sprach von einem "ganz besonders feigen und grausamen Akt". Er zeuge von einer tiefen Missachtung menschlichen Lebens. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, der brutale Akt zeige, dass die Lage in Afghanistan noch immer schwierig und gefährlich sei.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte die Bundesregierung auf, klar zu machen, woran sie bis zum Abzug der internationalen Kampftruppen 2013/2014 in Afghanistan interessiert sei - "an zivilem Aufbau, an Polizeiausbildung - und zu welchen Bedingungen sie einen politischen Kompromiss mit den Taliban schließen" wolle. Der Vorfall unterstreiche die Notwendigkeit, "weiter zielstrebig auf eine Stabilisierung der Lage in Afghanistan hinzuwirken", sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach.

Auch die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, äußerte sich bestürzt über die Ermordung der christlichen Helfer. Das Verbrechen führe vor Augen, wie falsch die derzeitige Politik sei, sagte Lötzsch. Im Interesse der Entwicklungshelfer, der deutschen Soldaten und der afghanischen Bevölkerung müsse die Bundeswehr sofort abgezogen werden.

dpa/epd