Politiker von SPD und Grünen haben deutsche Reiche aufgefordert, dem Spenden-Beispiel vermögender US-Prominenter zu folgen. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte der "Passauer Neuen Presse" (Freitag), die Ankündigung von 40 amerikanischen Milliardären, mindestens die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden, sei ein gutes Vorbild. "Wer spenden kann, soll das tun."
"Geste kann vernünftige Vermögensbesteuerung nicht ersetzen"
Auch der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß bezeichnete das Vorhaben der US-Milliardäre als eine gute Idee. "Man kann den Ansatz auch hier weiter verfolgen", sagte Poß dem Blatt. Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte: "Ein sehr lobenswertes Beispiel dafür, dass die Reichen sich nicht aus sozialer Verantwortung ausklinken." In Deutschland sei leider ein gegenläufiger Trend zu beobachten.
Die rot-grünen Politiker sehen jedoch trotz ihres Appells an die Spendenbereitschaft der Reichen auch den Staat in der Pflicht. "Eine solche Geste kann eine vernünftige Vermögensbesteuerung nicht ersetzen", sagte Poß. Grünen-Chefin Roth sagte, der Staat müsse beim Spitzensteuersatz und der Besteuerung der Vermögen Rahmenbedingungen setzen, damit der soziale Rechtsstaat finanzierbar bleibe.
Manche Vermögende wollen stärker besteuert werden
Der Mitinitiator der Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe, Dieter Lehmkuhl, begrüßt die Entscheidung von rund 40 US-Milliardären, mindestens die Hälfte ihres Vermögens zu spenden. Die Entscheidung sei jedoch im Kontext eines gering ausgeprägten US-amerikanischen Sozialstaats zu sehen. In Deutschland müsse es eine steuerliche Regelung geben, sagte Lehmkuhl der Frankfurter Rundschau (Freitagausgabe), freiwillige Spenden alleine reichten nicht aus.
"Wer spendet oder stiftet, genießt Steuervorteile", erläuterte der Psychiater weiter. "Er entzieht dem Staat Steuermittel und verteilt sein Vermögen ohne demokratische Kontrolle." So könne ein Millionär oder Milliardär mit seinem Geld Einfluss auf soziale oder kulturelle Projekte nehmen und sie "nach Gutsherrenart steuern und gewinnt dadurch nicht demokratisch legitimierte gesellschaftliche Gestaltungsmacht".
Seit der Appell deutscher Vermögender im vergangenen Jahr als Zeitungsanzeige erschien, haben bereits 48 gut betuchte Bürger unterschrieben. Sie fordern von der Politik, sie durch eine Vermögensabgabe stärker zu belasten, um die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu bewältigen und die soziale Ungleichheit zu verringern.
"Hedonisten sind selten"
Der Reichtums- und Vermögensforscher Wolfgang Lauterbach sagte der FR, dass unter Deutschlands Reichen "der Anteil derjenigen, die sich engagieren, sehr hoch" sei. Hedonisten, die ihr Geld nur zum eigenen Vergnügen verprassten, seien äußerst selten. Es gebe eine "wachsende Klientel, die der Gesellschaft etwas zurückgeben wolle". Häufig sei dies auf religiöse Motive, ein hohes Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft oder den Glauben an eine gerechte Welt zurückzuführen.
Das Stereotyp der "Reichen mit Perlenkette, die an der Costa Smeralda einen Cocktail für 50 Euro schlürft" sei laut Lauterbach hingegen nicht haltbar. Vielmehr lebe der Großteil der Reichen in Deutschland eher zurückgezogen, der Reichtum sei ihnen nicht auf Anhieb anzusehen. Mehr als die Hälfte hätten sich ihr Vermögen erarbeitet, ein knappes Drittel sei durch Erbschaften reich geworden. Gewinne aus Immobilien- und Börsengeschäften spielten mit rund acht Prozent eine eher geringe Rolle. Auch Aufstiegsheiraten seien selten.
Das Spektrum der Reichen "vom Günther-Jauch-Millionär bis zum superreichen Milliardär" sei riesig, so Lauterbach in der FR. Letztere lebten im Gegensatz zu einfachen Millionären "praktisch losgelöst vom Lebensnotwendigen". Landläufig gelte der Richtwert, dass Menschen mit einem Vermögen von etwa 200 Prozent gegenüber dem Durchschnittseinkommen als wohlhabend gelten, ab 300 Prozent als reich.
Stiftungen hoffen auf deutsche Milliardäre
Am Donnerstag hatte bereits der Bundesverband Deutscher Stiftungen die Aktion von Microsoft-Gründer Bill Gates und Großinvestor Warren Buffett und anderen amerikanischen Milliardären gelobt, die Hälfte ihres Vermögens zu spenden. "Eine ähnliche Aktion in Deutschland wäre ein starkes Signal für die Zivilgesellschaft", teilte der Verband mit.
Hermann Falk, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, appellierte an die Reichsten der Reichen: "Wenn sich nur einige weitere der 53 Milliardäre in Deutschland die Aktion von Gates und Co. zum Vorbild nehmen, wird sich das Gesamtkapital der Stiftungen in Höhe von aktuell rund 100 Milliarden Euro auf einen Schlag erhöhen." Falk fügte hinzu: "In den Händen der Wohlhabenden liegt ein starker Hebel, den sie gemeinsam nutzen sollten".