"Rapunzel", 8. August, 12 Uhr auf Ki.Ka (auch am Mittwoch, 11. August, um 14.15 Uhr im RBB)
Ein Satz genügt, und schon erinnert man sich an das ganze Märchen: "Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!". Und eigentlich ist die Geschichte damit auch schon erzählt. Dass es den Autoren Olaf Winkler und Nicolas Jacob trotzdem gelingt, die Handlung auf knapp sechzig Minuten zu strecken, ohne auch nur einen Moment zu langweilen: Das ist in der Tat eine Kunst.
Dem erfahrenen Bode Fürneisen wiederum ist bei der Umsetzung ein Film gelungen, der alles in sich vereinigt, was ein gutes Märchen auszeichnet: Sehnsucht, Hoffnung, Liebe; und großes Gruseln. Spätestens die Szenen, in denen Titelheldin Rapunzel und ihr geblendeter Geliebter unabhängig voneinander durch eine feindliche Natur irren, sind packend inszeniert und für kleine Kinder möglicherweise zu spannend. Gerade Rapunzel muss in einem Unwetter um ihr Leben fürchten; und am Ende wird der blinde Prinz von der bösen Kräuterhexe gar an den Rand einer gähnende Kluft gelockt.
Zunächst aber ist der Film von heiterer Harmlosigkeit, selbst wenn die Gier von Rapunzels Mutter (Antje Westermann) nach dem gleichnamigen Gewächs (besser bekannt als Feldsalat) die Abgründigkeit des Märchens verdeutlicht. Ihre Sucht ist so groß, dass sie ihren Gatten (Boris Aljinovic) zum Diebstahl bei der Kräuterhändlerin (Suzanne von Borsody) anstiftet. Im Tausch muss er der Frau das ungeborene Baby versprechen. Die Hexe hält das Kind vor der Welt geheim.
Dezente Effekte
Als Rapunzel mit zwölf Jahren durch Zufall trotzdem einen jungen Prinzen kennen lernt, sperrt ihre Ziehmutter sie in einen Turm. Zutritt hat man nur, wenn Rapunzel ihr Haar mit einem Zauberkamm kämmt; dann wird es lang und länger und windet sich schließlich als Zopf zum Fenster hinaus, so dass man daran hochklettern kann. Jahre später ist der nunmehr erwachsene Prinz (Jaime Ferkic), dessen Eltern ihn unbedingt verheiraten wollen, auf der Flucht vor den ehewütigen Hochzeitskandidatinnen, erkennt Rapunzel an ihrem Gesang und will sie aus dem Turm befreien, aber die Hexe blendet ihn und verstößt das Mädchen.
Der Film arbeitet mit dezenten Effekten, die immer dann am wirkungsvollsten sind, wenn Fürneisen sie beiläufig einstreut. Die Hexe zum Beispiel wird immer jünger, je älter Rapunzel wird; Suzanne von Borsodys Antlitz als alte Frau ist ein Meisterwerk des Maskenbilds. Gelungen ist auch der Einfall, jene Jahre, die Rapunzel im Turm verbringt, in einer Einstellung vom Fuß des Turms zusammenzufassen, wo sich in rasanter Folge die Jahreszeiten abwechseln. Für die Comedy-Einlagen schließlich ist Piet Klokke als überforderter Hoflehrer schuldig, der angesichts der Eskapaden des Prinzen immer bloß mit dem Kopf wackeln kann.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).