Psychiater: Angeklagte im Brunner-Prozess schuldfähig
Die Angeklagten im Mordprozess um den Tod des Managers Dominik Brunner sind nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen Franz Joseph Freisleder voll schuldfähig.

Beide hätten nicht an einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung gelitten, sagte der Gutachter Franz Joseph Freisleder am Mittwoch vor dem Landgericht München I. Folgt das Gericht der Argumentation, drohen Markus S. anstatt lebenslänglich nach Erwachsenenrecht maximal zehn Jahre Haft: Da Markus S. bei der Tat 18 Jahre alt war, kann das Gericht je nach Reife entscheiden, ob es Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht anwendet.

Auch der Alkohol, den insbesondere Markus S. (19) getrunken hatte, habe die Schuldfähigkeit nicht herabgesetzt, sagte der Gutachter. Zeugen hatten ausgesagt, Markus S., der nach Berechnungen bis zu 2,16 Promille Alkohol im Blut gehabt haben könnte, habe nicht geschwankt. Freisleder bescheinigte Markus S. und Sebastian L. (18) allerdings eine Sozialverhaltensstörung und Suchtmittelmissbrauch. Für beide halte er eine therapeutische Behandlung für notwendig. Beide müssen sich wegen Mordes verantworten. Brunner war im September 2009 nach Schlägen und Tritten am S-Bahnhof Solln gestorben. Er wollte vier Schüler vor den Angeklagten schützen.

Rapper als Berufswunsch

Für Markus S., der sich nicht psychiatrisch begutachten ließ, tendierte Freisleder wie schon der psychologische Gutachter Günther Lauber und eine Jugendgerichtshelferin eher zur Anwendung des milderen Jugendstrafrechts. "Er scheint sich reifemäßig nicht von seinen Mitangeklagten abzuheben", sagte Freisleder mit Blick auf Sebastian L. und einen schon verurteilten Freund, die beide ein Jahr jünger sind und für die Jugendrecht galt. Auch der Berufswunsch Rapper des stark auf seinen kriminellen älteren Bruder orientierten Markus S. sei nicht sehr realistisch, meinte Freisleder.

Sebastian L. habe im Gefängnis mehrfach sein Bedauern geäußert, sich für Brunners Angehörige und deren Befinden interessiert. Er habe offenbar den ehrlichen Wunsch, sich mit dem Geschehen und seiner eigenen Situation auseinanderzusetzen, betonte Freisleder. Er habe zwar einen "egozentrischen Umgangsstil und ein recht geringes soziales Durchhaltevermögen", jedoch auch einen normalen IQ von 104. "Da kann man etwas machen, aus so einem IQ."

Bei Markus S. äußerten Freisleder und eine Jugendgerichtshelferin hingegen Zweifel, ob dieser tatsächlich die Tat bereut. "Eine ernsthaft selbstkritische Auseinandersetzung mit seiner Tat scheint bisher fraglich", sagte Freisleder.

Briefe aus dem Gefängnis

In Briefen aus dem Gefängnis äußerte sich Markus S. indes reuig. "Ich hab endgültig mit der ganzen Scheiße abgeschlossen", schrieb er in einem Brief an seine Mutter, der im Gericht verlesen wurde. "Es tut mir so wahnsinnig leid, was passiert ist." Der Mutter und dem ebenfalls inhaftierten Bruder kündigte er an, er werde in der Haft einen Schulabschluss und eine Ausbildung machen. Wenn er herauskomme, werde er "hundertprozentig eine fertige Ausbildung haben".

In einem Rap-Text erinnerte er den älteren Bruder, durch den er offenbar auch in die Drogenszene kam, an gemeinsame Erlebnisse, Schlägereien, Besäufnisse, Diebeszüge, aber auch an Kinderzeiten. "Du bist ein Held, auch wenn's von den Cops keinem gefällt. Du bist mein Bruder, mein bester Freund und mein Vorbild." Im Gefängnis witterte Markus S. auch eine neue Verdienstmöglichkeit: Eine Journalistin wolle einen Film über ihn machen. "Da fließen voll viele Gagen ein, die schicke ich dann an Dich und Papa." Der Bruder könne schon mal ein Musikstudio einrichten, bis er aus dem Gefängnis komme.

dpa