Ground Zero, der Islam und die Emotionen
Die Debatte um das geplante islamische Kultur- und Gemeindezentrum nahe Ground Zero spaltet Amerika. Neun Jahre nach dem Anschlägen vom 11. September stehen Nationalgefühl, offene Wunden und empfundene Respektlosigkeit dem Gedanken der Toleranz, des Brückenbauens und der freien Religionsausübung gegenüber. Einen Konsens zu finden, scheint schwierig.

Am Dienstag (Ortszeit) lehnte die New Yorker Denkmalschutzkommission einen Antrag einstimmig ab, das Gebäude am Park Place, das dem Neubau Platz machen soll, unter Denkmalschutz zu stellen. Kritiker hatten gehofft, das Projekt so stoppen zu können. Sie zeigen sich vom Ergebnis der Kommission aber unbeirrt. Nach wie vor sprechen sie von der "Monstermoschee am Ground Zero". Und vergessen dabei, genau hinzusehen. Denn Park Place liegt zwei Häuserblocks entfernt von der Stelle, an der am 11. September 2001 islamische Terroristen mit zwei Flugzeugen die Türme des World Trade Center (WTC) zum Einsturz brachten und fast 3.000 Menschen in den Tod rissen.

"New York Times"-Journalist Clyde Habermann bringt diesen Unterschied auf dem Punkt: "Niemand, unabhängig seiner politischen Richtung, würde eine Moschee am Ground Zero tolerieren. Nahe ist nicht dasselbe." Und er setzt polemisch fort: "Viele Leute müssen in der Schule bei der Unterrichtseinheit über Präpositionen krank gewesen sein." Allein die Bezeichnung Moschee sei fraglich, so Habermann: Denn Park51 - so der aktuelle Projektname - sei als vielseitiges Begegnungs- und Kulturzentrum geplant, mit Raum für Gebete, aber ohne Minarett und ohne Muezzinruf. Dies dann eine Moschee zu nennen, wäre so, als wenn man eine Kapelle in einem katholischen Krankenhaus als Kirche bezeichnen würde.

Auch eine 9/11-Gedenkstätte vorgesehen

Was am Park Place entstehen soll, ist ein 15-stöckiger Komplex einschließlich Gebetsraum für Muslime, 9/11-Gedenkstätte, Theater, Restaurant, Ausstellungsräumen, einer großen Bibliothek und zahlreichen Sportmöglichkeiten. Initiator ist die American Society for Muslim Advancement (ASMA). Zahlreiche Angehörige von 9/11-Opfern sehen sich durch die Pläne in ihren Gefühlen verletzt. In Initiativen wie "No mosque at the world trade center" oder "No Mosques At Ground Zero" fordern sie deshalb vehement eine Standortverlegung. Sie plädieren für einen sensiblen Umgang mit diesem Ort, der für viele Amerikaner ein "heiliger Boden" sei.

Der republikanische Politiker Newt Gingrich prangert an: "[Der Anschlag auf] das World Trade Center bedeutet den größten Verlust an Amerikanern auf unserem Boden seit dem Bürgerkrieg." Es mache die Menschen verrückt, dass das WTC nicht wieder aufgebaut worden sei. Die etwas polemische Wendung des ehemaligen Sprechers des Repräsentantenhauses: "Und vor diesem Hintergrund wird uns gesagt, warum errichten wir nicht eine 15-stöckige Moschee und ein Gemeinschaftszentrum?"

Fünf Jahre lang nach Grundstück gesucht

Doch gerade mit dem gewählten Ort wollen die Initiatoren von Park51 ein Zeichen setzen. ASMA-Geschäftsführerin Daisy Khan, Ehefrau von Imam Feisal Abdul Rauf, der das Zentrum leiten wird, äußerte sich in einem Interview im Radiosender WNYC: Zwar hätte man bei den Kaufüberlegungen nicht gezielt nach einem Grundstück nahe Ground Zero gesucht, aber nachdem die beauftragte Imobilienfirma Soho-Properties fünf Jahre lang gesucht habe, sei man froh darüber gewesen, ein geeignetes Gelände gefunden zu haben. "Wir sind Amerikaner, wir sind Muslime, wir sind New Yorker. Und wir wollen Teil sein beim Wiederaufbau von Lower Manhattan. Weil es unsere Stadt ist, genauso wie die von anderen. Und es ist unsere Pflicht."

Mit dem Zentrum wolle man der Gemeinschaft dienen, so Khan weiter. Auf der Homepage der Initiative wird die Idee erläutert. Es gehe darum, eine Begegnungsstätte zu schaffen, die jedem, unabhängig von seiner Herkunft, ein Kultur-, Kunst- und Bildungszentrum biete. Nicht zuletzt möchte man Toleranz predigen und damit auch einen der islamischen Grundsätze erfüllen. Man betont, dass es um die Vermittlung islamischer Werte wie Mitgefühl, Hochherzigkeit und Respekt gegenüber allen gehe.

Probates Wahlkampfthema für Republikaner

Kritiker sehen das anders. Die republikanischen Politiker Rick Lazio und Carl Paladino, die um den Kandidatenposten ihrer Partei für die New Yorker Gouveneurswahlen im November kämpfen, machen die "Moschee am Ground Zero" zu ihrem Thema. Lazio forderte mit entsprechendem Medienrummel Generalstaatsanwalt Cuomo, den laut Umfragen aussichtsreichsten Gegenkandidaten der Demokraten, zu einer Untersuchung gegen die Initiative und die Finanzierung der Moschee auf. Es sei eine Frage nationaler Sicherheit, denn schließlich dienten Moscheen als Rekrutierungszentren für Extremisten, so Lazio. Cuomo hat jedoch abgelehnt, da es keine entsprechenden Beweise gäbe.

Auch Carl Paladino versucht, mit anti-islamischen Szenarien seinen Wahlkampf voranzutreiben. In einen Interview mit dem TV-Sender New York 1 bezweifelte er die friedlichen Absichten des geplanten Zentrums. "Das ist das, was sie vorgeben. Aber wir wissen nicht wirklich, wer sie sind." Er habe Angst davor, amerikanischen Kindern vermitteln zu müssen, dass Muslime dabei seien, die Gesellschaft zu übernehmen. Zahlreiche New Yorker Politiker befürworten hingegen das Projekt, darunter auch Bürgermeister Michael Bloomberg: "Es ist das Besondere an Amerika und insbesondere New York, dass jeder willkommen ist." Die Möglichkeit, seine Religion frei ausüben zu können, sei einer der Gründe für die Entstehung der USA gewesen.

Angehörigeninitiative für den Bau

Ähnlich wird auch in einem Statement von noch bemerkenswerterer Seite argumentiert. Auch die Initiative "September 11th Families for Peaceful Tomorrows", gegründet von Angehörigen, die beim Anschlag ein Familienmitglied verloren haben, unterstützt den Bau des islamischen Zentrums - als weltweites Zeichen der Amerikaner gegen Gewalt und Intoleranz. Mit der am Dienstag getroffenen Entscheidung der Denkmalschutzkommission ist der Weg für Park51 frei. Nun kann mit dem Fundraising begonnen werden. Die Diskussion um das Projekt ist jedoch noch lange nicht beendet.


Anna Winkler-Benders arbeitet als freie Journalistin in New York.