Er hat fast 100 Kinofilme gedreht, die Mehrzahl davon in Hollywood, darunter sieben Filme mit Martin Scorsese. Derart gefragt sind im internationalen Film nur noch wenige Deutsche: die Regisseure Wolfgang Petersen und Roland Emmerich und der Komponist Hans Zimmer. In Deutschland erinnert man sich besonders an Ballhaus' enge Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder. Am 5. August wird Michael Ballhaus 75 Jahre alt.
Geboren wurde er 1935 in Berlin, er stammt aus einer Theaterfamilie. Über die Fotografie kam er zur Filmkamera und arbeitete zunächst ab 1960 für das Fernsehen, den Südwestfunk in Baden-Baden. Durch einen Zufall übernahm Ballhaus 1970 die Kamera für Fassbinders "Whity", ein kurioses Melodram, das 1878 im Westen der USA spielt. Am Anfang war die Zusammenarbeit zwischen dem Schon-Profi Ballhaus und dem Noch-Amateur Fassbinder schwierig. Sie stritten sich über fast jede Einstellung, erzählte Ballhaus in Interviews.
Die Kamera soll erzählen, was sich in Worten nicht sagen lässt
Sie haben dann doch schnell zueinander gefunden und bis 1978 zusammen 15 Filme gemacht, Meisterwerke wie "Martha" (1973), "Despair" und "Die Ehe der Maria Braun" (beide 1978). Auch "Welt am Draht" entstammt dieser Zeit, der gerade wiederentdeckte und restaurierte TV-Zweiteiler von 1973 - ein Science-Fiction-Film, der unter die Haut geht. Aber, wie Ballhaus später aufgrund seiner Hollywood-Erfahrungen wohl zu selbstkritisch sagte: Es entstand auch "viel Schrott".
In der Auseinandersetzung mit Fassbinder hat Ballhaus seinen eigenen Stil vervollkommnet. Er liebt komplizierte Kamerafahrten, aber nicht als Selbstzweck, sie sollen der Geschichte dienen. Immer wieder zitiert wird die 360-Grad-Fahrt um Margit Carstensen und Karlheinz Böhm in "Martha", wenn die beiden sich durch Zufall zum ersten Mal treffen. Die Schauspieler drehen sich außerdem einmal um die eigene Achse. Die Dynamik dieser Einstellung signalisiert ohne ein Wort der Erläuterung, dass dies eine schicksalhafte Begegnung ist. Ballhaus' Maxime, die Kamera soll erzählen, was sich in Worten nicht sagen lässt, ist hier ideal erfüllt. Legendär wurde später auch die Kamerafahrt um die singende Michelle Pfeiffer in "Die fabelhaften Baker Boys" (1989).
Für sein Lebenswerk ausgezeichnet
Der zweite große Einschnitt in der Berufslaufbahn von Michael Ballhaus war sein USA-Start, auch hier half der Zufall nach. Er sprang 1982 bei "Dear Mr. Wonderful" als Kameramann bei Peter Lilienthal ein, den er aus Deutschland kannte. Zuerst wurden Independent-Regisseure auf ihn aufmerksam, bald auch Martin Scorsese, mit dem er dann 1985 "Die Zeit nach Mitternacht" drehte.
Von Anfang war es eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen zwei Profis, zwei Künstlern. Sie haben berühmte Filme gemacht, "Die letzte Versuchung Christi", "Good Fellas", "Gangs of New York" oder "Unter Feinden". Ballhaus drehte aber auch mit Mike Nichols, Robert Redford, Francis Ford Coppola oder Wolfgang Petersen - Filme aller Genres. Er erhielt viele US-amerikanische und deutsche Preise, den Oscar aber nie - obwohl er dreimal nominiert war. Als erster Deutscher wurde von der American Society of Cinematographers für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
2007 hat er Hollywood den Rücken gekehrt, "Unter Feinden" war 2006 sein letzter Film dort. Das hing wohl auch mit dem Tod seiner Frau Helga zusammen, die im Herbst 2006 in Los Angeles starb. Sie war über Jahrzehnte seine wichtigste Mitarbeiterin gewesen. Die Söhne Sebastian und Florian gehörten ebenfalls zum Team. Ballhaus lebt jetzt vorwiegend in Berlin. 2009 hat er den Dokumentarfilm "In Berlin" gedreht, seine erste Regie. Er unterrichtet wie schon früher Filmstudenten, ist aber auch sozial aktiv: 2008 startete das Ballhaus-Projekt, eine Initiative zum Klimaschutz.
Buchhinweis: Michael Ballhaus: Das Fliegende Auge. Director of Photography im Gespräch mit Tom Tykwer. Berlin Verlag, 2. Auflage Berlin 2003, 261 S., 22 Euro