Kirche mahnt Stadt: Vorgänge bei Loveparade offenlegen
Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, dringt auf mehr Offenheit bei der Aufklärung der Duisburger Loveparade-Katastrophe. Zur Trauerfeier für die 21 Todesopfer werden am Samstag mehrere zehntausend Menschen erwartet.

Es sei richtig, dass die Polizei an die Öffentlichkeit gegangen sei, sagte Schneider am Freitag im Deutschlandradio Kultur. "Auch die Stadtverwaltung könnte durchaus die Vorgänge bei sich öffentlich machen." Fritz Pleitgen, Vorsitzender Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH, hält den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) für überfordert.

Schneider sagte, dabei gehe es nicht darum, mit dem Finger auf Einzelne zu zeigen. Die Bewertung der Vorgänge sei von der Offenlegung der Informationen zu trennen, so der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der evangelische Pfarrer Martin Winterberg, der als Notfallseelsorger in Duisburg eingesetzt ist, sagte im ZDF-Morgenmagazin, Hass und Wut behinderten derzeit die Trauer der Menschen. Es müsse endlich jemand Verantwortung übernehmen - unabhängig von juristischer Schuld.

Sagen, was man weiß

Bei der Suche nach den Verantwortlichen für die Massenpanik vom vergangenen Samstag mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten verlangte Schneider Sorgfalt und Fairness. Für alle Beteiligten sei die Situation schwierig. "Ich habe auch ein gewisses Verständnis für den Oberbürgermeister, der Morddrohungen erhält und nun sehen muss, wie er sich und seine Familie schützt", sagte der evangelische Theologe, der in Duisburg aufgewachsen ist und dort als Pfarrer tätig war, in dem Radiointerview. Allerdings müsse man sagen, was man weiß. Die berechtigten Ansprüche der Öffentlichkeit auf Information seien zu befriedigen.

Auch Fritz Pleitgen, Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH, die die Veranstaltungen zum Kulturhauptstadtjahr im Ruhrgebiet verantwortet, sagte: "Man muss sich der Öffentlichkeit stellen." Oberbürgermeister Sauerland sei offensichtlich der Situation nicht gewachsen, ihm müsse geholfen werden. "Was gegenwärtig passiert, schürt die Verzweiflung der Menschen", sagte Pleitgen im ZDF. Sauerland hat sich seit mehreren Tagen zurückgezogen. Ungeachtet starken öffentlichen Drucks lehnt er einen Rücktritt bislang ab.

"Gott ist keine Lebensversicherung"

Präses Schneider will am Samstag im ökumenischen Trauergottesdienst auch der Frage nachgehen, wie Gott solche Unglücke wie in Duisburg zulassen kann. Doch dürfe die Frage nach Gott nicht dazu dienen, von der Verantwortung von Menschen abzulenken. "Gott ist keine Lebensversicherung", sagte Schneider im Deutschlandradio Kultur. Aber es gehöre zur Kraft des Glaubens, dass die Menschen in der Trauer nicht zerbrechen.

Pfarrer Winterberg sagte, er hoffe für Samstag auf eine "friedvolle Demonstration der Anteilnahme und keine der Gewalt". Der Trauergottesdienst, zu dem auch Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet werden, wird aus der Salvatorkirche in Duisburg unter anderem in die Fußballarena der Stadt übertragen. In der Kirche sollen neben der politischen Prominenz nach Angaben Winterkorns vor allem Angehörige der Opfer und Rettungskräfte Platz finden.

epd