Die Trauerbewältigung in Online-Foren und sozialen Netzwerken nach der Loveparade-Katastrophe wird nach Ansicht des Krefelder Notfallseelsorgers Bernard Dodier das persönliche Gespräch nicht ersetzen können. Eine solche Trauer sei ein Massenphänomen. Die Jugendliche nutzten Trauer-Angebote im Internet besonders wegen des starken Zusammengehörigkeitsgefühls mit Gleichgesinnten, sagte Dodier dem epd.
Der Leiter der psychosozialen Notfallseelsorge in Krefeld ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Online-Beratung und kümmert sich seit der Duisburger Loveparade als Telefonseelsorger um Opfer und deren Angehörige. Seit dem Unglück bei dem Techno-Festival am Wochenende mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten haben sich in Online-Communities und sozialen Netzwerken wie "studivz" und "facebook" zahllose Trauergruppen gebildet. In ihnen tauschen sich besonders junge Menschen über die Katastrophe aus, gedenken der Opfer, debattieren über die Schuldfrage oder stellen Fotos der Loveparade ein. Auch eine für Samstagnachmittag geplante Trauerfeier am Unglücksort wird derzeit in sozialen Netzwerken organisiert.
Dodier sagte, das Schreiben in Foren und Kommentare darauf seien zwar hilfreich. Trotzdem ersetze diese Art der Trauerbewältigung kein Gespräch mit Freunden, Verwandten und Seelsorgern, die dem Betroffenen direkt Trost spenden können. "Jeder will in Online-Foren vielmehr mitteilen, dass er dabei gewesen ist, und sich in die Gemeinschaft der Trauernden einreihen", erklärte Dodier.
Das vorrangige Motiv sei in diesem Fall aber nicht Trauer, sondern das Gemeinschaftsgefühl. Wie die Loveparade selbst sei auch die derzeitige Trauerwelle ein Massenphänomen: "Eine Riesengruppe von Menschen in Netzwerk reagiert als Masse", sagte Dodier. Es tue den Menschen gut, unter Gleichgesinnten zu sein.
Seelsorger in Facebook geplant
Derzeit gebe es in seiner Einrichtung Überlegungen, einen Seelsorger mit eigenem Profil in Facebook und StudiVZ zu integrieren. "Man muss Menschen dort erreichen, wo sie sich bewegen", sagte Dodier. Immer mehr Anfragen erreichten ihn per Chat oder E-Mail. Ob allerdings ein Seelsorger in sozialen Netzwerken Erfolg haben wird, sehe er eher skeptisch. Denn Betroffene suchen seiner Ansicht nach nicht in Netzwerken nach Hilfe, sondern eher direkt bei einer Seelsorgeeinrichtung.
Wie sehr die Menschen die Katastrophe von Duisburg bewegt, ja entsetzt, zeigt die mittlerweile schier unüberschaubare Zahl von Seiten, Posts und Videos im Netz. Viele wollen nur ihrer Betroffenheit Ausdruck geben, unüberhörbar sind aber auch Wut und die Forderung nach Konsequenzen.
Das Netz vereint alle, die dabei waren, mit denen, die von fern mitfühlen. "Ich war auch da und kann es immer noch nicht fassen", schreibt Stefan B. auf der Facebook-Seite "Schweigeminute für die Opfer der Loveparade". Die meisten fühlen sich wie Isabel H. gedrängt, ihre Gefühle in eine knappe Textzeile des Sozialen Netzwerks zu gießen: "Bin sehr betroffen und weine um Menschen die ich nicht kenne." Auch aus dem Ausland kommen Botschaften des Mitgefühls in vielen Sprachen.
Persönliche Augenzeugenberichte
Erschütternd und eindringlich sind persönliche Augenzeugenberichte von Bloggerinnen und Bloggern wie Julia. Sie hat zur Duisburger Loveparade ein eigenes Blog gestartet, in dem sie darum ringt, das schreckliche Geschehen zu begreifen: "Würde so gerne mit anderen Betroffenen sprechen, hören wie deren Empfindungen sind, hören wie sie das erlebte verkraften."
Besonders laut äußert sich die Empörung bei Twitter. "Dance or Die! Vorfahrt für den Profit - Es handelte sich um Vorsatz", heißt dort eine der vielen Anklagen. Immer wieder wird nach der Genehmigung für den Veranstaltungsort gefragt und gerätselt, warum es so unterschiedliche Schätzungen zur Teilnehmerzahl gibt. Diese Frage wollen die, die in Duisburg dabei waren, selbst beantworten: Auf der Website "Loveparade Raver Count" haben sich laut Betreiber bisher mehr fast 100.000 eingetragen. Die Betreiber nehmen an, dass weit mehr Menschen in Duisburg zusammengekommen sind als offiziell angegeben.
Eine 27-Jährige dagegen hat ihre Betroffenheit in einem YouTube-Video dokumentiert, eine Minute schweigend, mit großen Augen und der Botschaft: "Ich schicke viel Kraft an die, die sie jetzt so nötig brauchen."
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