Hintergrund: Bei Massenpanik haben Menschen keine Wahl
Nach Auffassung des Münsteraner Psychologen Fabian Andor haben Menschen in Paniksituationen wie auf der Duisburger Loveparade keine Entscheidungsfreiheit. Deshalb wäre es unangemessen, wenn sich Teilnehmer jetzt Vorwürfe machten, über andere Menschen hinweggestürmt zu sein, sagte der Experte für Panik-Erkrankungen.

"In so einer Situation werden sie von einem archaischen Angstprogramm gesteuert." Das Programm verenge die Funktionen allein auf das eigene Überleben, alles andere werde dem untergeordnet, so Andor.

Das psychisch Schlimmste sei es für einen Menschen, wenn er sich bedroht fühle, aber nicht wegkönne, erklärte der Geschäftsführer des Instituts für Psychologische Psychotherapieausbildung. In einer solchen Situation wie auf der Loveparade habe Todesangst geherrscht. Die Alarmreaktion Panik solle es Menschen ermöglichen, zu kämpfen oder zu fliehen. Sei die Panik einmal in Gang gesetzt, gebe es kaum Möglichkeiten, sie noch zu stoppen.

Mehr Prävention

Eine solche Panik hätte Andor zufolge nur durch mehr Prävention vor der Veranstaltung verhindert werden können. So sei es unverzichtbar, auf Großveranstaltungen genug Fluchtmöglichkeiten zu schaffen. "Man muss dafür sorgen, dass genug Platz da ist und die Menschen ungehindert fliehen können", unterstrich Andor. Nach Katastrophen in englischen Fußballstadien in den 80er Jahren sei etwa dafür gesorgt worden, dass moderne Stadien mehr Türen und leicht übersteigbare Gitter hätten.

Eine Chance, Panik schnell wieder einzudämmen, sieht der Psychologe lediglich bei Menschen mit Panikstörungen. Bei unbegründeten Ängsten wie vor großer Höhe oder vor dem Gedränge in einer U-Bahn könne man durch Zureden beruhigend einwirken, sagte Andor. Solange aber eine Situation real gefährlich sei, könnten die Menschen kaum aus der Anspannung rauskommen. Angst oder Panik sei von Natur aus ein wichtiges Gefühl, das den Menschen vor Gefahrensituationen warnen solle.

epd