Wieviele Raver waren in Duisburg? Neue Website gestartet
War das Gelände in Duisburg zu klein für die vielen Raver? Wieviele Menschen feierten überhaupt bei der Loveparade. Darum ist ein Streit entbrannt. Jetzt wird im Netz gezählt. Ortskundige hatten ihre Warnungen lange zuvor ins Netz gestellt. Doch den Ravern half das nicht. 19 starben. Trauer, Wut und die Frage nach der Verantwortung verbreiten sich via Twitter und Facebook.
26.07.2010
Von Thilo Resenhoeft

Nach den vielen Warnungen im Netz vor möglichen Gefahren auf dem Loveparade-Gelände in Duisburg hat die Netzgemeinde jetzt eine Internetseite mit einer eigenen Zählung organisiert, um zu erfahren, wieviele Menschen bei der Loveparade dabei gewesen sind. Hintergrund: Duisburgs Polizeisprecher Detlef von Schmeling hatte in einer Pressekonferenz am Sonntag gesagt, dass gegen 14 Uhr zwischen 105.000 und 150.000 Menschen auf dem Gelände gewesen seien. Die Tragödie mit den 19 Toten spielte sich jedoch erst gut drei Stunden später. Bislang gibt es keine genauen Angaben darüber, wieviele Menschen mitgefeiert haben.

Im Netz hatten Nutzer Wochen und Tage vor einer möglichen Katastrophe bei der Duisburger Loveparade gewarnt - teils detailliert. Auf lokalen Seiten wurden sowohl ein zu kleines Partygelände als auch der potenziell gefährliche Zugang über die von Brücken überspannte Straße kritisiert. Besonders klar geht das aus der Nachricht eines Nutzers namens "klotsche2" hervor, der sich in einem Kommentar auf der Seite "DerWesten.de" äußerte. Am 22. Juli schreibt er mit Blick auf das Partykonzept:

(Originalzitat:) "sehe ich das richtig, dass die versuchen 1 million menschen über die 1-spurige! TUNNELSTRAßE! Karl-Lehr-Straße mit zwischendurch 2 kleinen trampelpfaden hoch zum veranstaltungsgelände zu führen? also in meinen augen is das ne falle. das kann doch nie und nimmer gut gehen. wer in essen und dortmund dabei war weiß, wie groß das gedränge schon auf recht weitläufigen zugangswegen war. das war ne katastrophe und die wollen ernsthaft den zugang über nen einspurigen TUNNEL leiten? ich fass es nicht!!!! ich seh schon tote wenn nach der abschlußkundgebung alle auf einmal über diese mickrige straße das gelände verlassen wollen."

Diese Nachricht - wiederholt am Donnerstag, 22. Juli - beschreibt im Nachhinein genau das Szenario vom Sonnabend, als tausende Menschen von Mauern eingekeilt waren und weder vor noch zurück konnten.

Netz: Videos und Kommentare verbreiten sich schnell

Die drangvolle, ausweglose Enge in der Sommerhitze ist auf zahlreichen, mit Handy-Kameras innerhalb und außerhalb des Tunnel gedrehten Filmen zu sehen - in allen Details. Zwar war das Funknetz total überlastet, dennoch verbreitete sich mit den Bildern nach und nach der Schrecken - gleichfalls via Internet. Zu sehen ist etwa, wie Menschen Böschungen hochklettern, bluten, weinen, schreien, Gitter überklettern, einander helfen. Schnell greifen viele Fernsehsender auf das Material zurück.

Ebenfalls am Donnerstag (22.7./16.25 Uhr) und auch bei "DerWesten.de" schrieb Nutzer "Duisburger": "Es wird das größte Chaos geben. Die Stadt wäre besser beraten gewesen die Loveparade abzusagen. Dann wäre ein paar Tage negative Presse über Duisburg in den Nachrichten zu hören-aber über diese Loveparade wird man noch lange reden-leider nur in negativer Form."

Beide Beiträge - sie waren auch am Sonntag online - stammen offensichtlich von Ortskundigen, ebenso wie die Meinung von "Skydiver60": (Originalzitat:) "400.000 - 500.000 passen auf das Gelände. 1-1,5 Millionen werden erwartet. Bei Überkapazität werden die Raver nicht mehr auffs Gelände gelassen. Leute, das geht inne Buchse, definitiv. (...) Auf das alles irgendwie gut geht. Glück Auf".

OB Sauerland löst nicht zitierfähige Reaktionen aus

Besonders der frühe Kommentar von "klotsche" hat sich derweil im Netz weit verbreitet. Manche Daheimgebliebene danken ihm, andere sehen darin ein Menetekel, viele leiten daraus Vorwürfe an die Stadt Duisburg ab, andere verbreiteten den Link kommentarlos an ihre Freunde. "masamedia" twittert: "klotsche, Duisburger, Vasa49, Lover__P - man hätte auf Euch hören sollen."

Besonders wütende, nicht zitierfähige Reaktionen löste Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) aus, als er das Sicherheitskonzept "stichhaltig" nannte und sagte, "wahrscheinlich" seien "individuelle Schwächen" Auslöser der Katastrophe gewesen.

Die Marketinggesellschaft der Stadt Duisburg hatte vor dem Unglück einen Film über den Zustand des Geländes am 8. Mai bei "youtube.com" eingestellt. Der Streifen zeigt Mitarbeiter bei der Vermessung des vollkommen verwildert und aufgelassen erscheinenden ehemaligen Güterbahnhofes voller Bauschutt und Trümmer.

Die Homepage der Veranstalters zeigt seit Samstagabend drei Zeilen des Mitleids auf schwarzem Hintergrund, unter anderem: "Unser aufrichtiges Beileid gilt allen Angehörigen und unsere Gedanken sind bei denjenigen, die derzeit noch versorgt werden müssen."

dpa/fra