"Lohengrin": Die Ratten betreten das Bayreuther Schiff
Mit einem donnernden Buhgewitter und dagegen haltenden Beifall mit einigen Bravorufen ist am Sonntagabend die "Lohengrin"-Neuinszenierung in der Regie von Hans Neuenfels zum Auftakt der 99. Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele aufgenommen worden. Neuenfels zeigt die romantische Oper als Versuchsanordnung in einem Rattenlabor.

Der 69-jährige skandalgewohnte Regisseur zuckte mit den Schultern und warf Kusshändchen ins widerstreitende Publikum, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die dem Regisseur demonstrativ Beifall zollte. Auch die beiden Festspielleiterinnen Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier stellten sich auf offener Bühne an die Seite des Regisseurs.

Merkel dankte auf dem anschließenden Empfang im Neuen Schloss von Bayreuth Neuenfels und seinem Bühnenbildner Reinhard von der Thannen für die Inszenierung und fügte hinzu: "Das war wunderbar, das hat uns gefallen, das haben Sie toll gemacht." Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) meinte, die Inszenierung gehe «unter die Haut» und sei in mancher Hinsicht auch sehr mutig.

Großer Beifall für Kaufmann und Dasch

Den meisten Beifall gab es für das Sängerpaar Jonas Kaufmann und Annette Dasch als Lohengrin und Elsa, sowie für den von Eberhard Friedrich gewohnt souverän geführten und glänzend klingenden Chor der Bayreuther Festspiele. Evelyn Herlitzius als Ortrud und Hans-Joachim Ketelsen ernteten neben Beifall auch einige Buhrufe ebenso wie der erst 31-jährige lettische Dirigent Andris Nelsons. Bühnenbild und Kostüme entwarf Reinhard von der Thannen.

Die größten Irritationen beim Publikum lösten die Ratten aus, in die Neuenfels den Chor in wechselnden Verkleidungen ("Häutungen") verwandelte, weil sich damit die romantische Oper Wagners für die meisten Zuschauer zu sehr vom Idealbild der beliebtesten und lange Zeit auch meistgespielten Oper des Bayreuther Meisters entfernte.

Apokalyptische Sicht auf das Wunder

Neuenfels wollte ausdrücklich mit Lohengrin kein Märchen aus uralten Zeiten erzählen, sondern seine apokalyptische Sicht auf das angebliche Wunder um den "Heilsbringer" Lohengrin und seine unmögliche Liebe zu Elsa darstellen mit dem warnenden oder auch resignierenden Fazit, dass es in der Welt kein Vertrauen und keine Liebe mehr gibt.

dpa