Das Thema Drogen bei der Loveparade sieht Ronald Hitzler nüchtern. "In der Technoszene werden nicht mehr Drogen konsumiert als in anderen Szenen auch", sagt er. Der Dortmunder Soziologieprofessor beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Jugendszenen und hat zu Forschungszwecken die Loveparade mehrfach selbst besucht. Im Umgang mit Drogen hat er dabei einen Wandel der Technoszene festgestellt.
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In frühen Jahren sei in der Technoszene die Substanz MDMA verbreitet gewesen, die bis 1993 in der Schweiz noch legal zu psychotherapeutischen Zwecken eingesetzt worden sei. Gemeinsam mit einer anderen Substanz , dem sogenannten Speed, sei MDMA unter dem Namen Ecstasy konsumiert worden. Die Wirkung: Durch das Speed konnten die Raver sehr lange und ausdauern tanzen. MDMA wiederum hat eine öffnende Wirkung. "Sie bekommen davon das Gefühl, in guter Gesellschaft zu sein", sagt Hitzler. Ecstasy habe somit die Grundstimmung der Technoszene unterstützt, die dadurch geprägt gewesen sei, dass Raver sehr freundlich, rücksichtsvoll und harmonisch miteinander umgegangen seien. Das gemeinsame Tanzen stehe bis heute im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Wenige Drogentote
Die Folgen des Ecstasykonsums seien – zumindest was die unmittelbaren Folgen angehe – weniger dramatisch gewesen als erwartet, sagt Hitzler. Bei Technogroßveranstaltungen sei zum Teil mit vielen Drogentoten gerechnet worden. "Die gab es aber nicht." Rettungsdienste seien bei der Loveparade vor allem damit befasst gewesen, Patienten wegen Dehydrierung zu behandeln. Diese Einschätzung wird durch eine Statistik von der vergangenen Loveparade belegt. Damals wurden nur 80 Teilnehmer stationär behandelt, darunter aber auch Patienten mit Prellungen und Knochenbrüchen.
Dennoch habe sich der Drogengebrauch in der Technoszene inzwischen gewandelt, sagt Hitzler und sieht diese Entwicklung nicht nur positiv. In der Szene hätten sich die Langzeitfolgen von Ecstasy, vor allem Nierenschäden, inzwischen rumgesprochen, so dass auf den Konsum immer stärker verzichtet werde. Auch massive Polizeikontrollen hätten zu einem Ecstasyverzicht beigetragen. Die Folge: Viele Raver konsumieren nun Alkohol und Cannabis. "Die Leute hauen sich mit allem möglichen zu, was sie legal bekommen können, und rauchen vielleicht noch einen Joint dazu." In zehn Jahren sei aber vermutlich auch Cannabis legal, vermutet Hitzler.
Veränderter Drogenkonsum
Auf die Stimmung auf der Loveparade hat dieser veränderte Drogenkonsum Hitzler zufolge aber eher negative Auswirkungen. "Die Leute werden durch den Alkohol ruppiger im Umgang miteinander. "Wenn Menschen Alkohol trinken, bekommen sie einen Tunnelblick, sind mit ihren eigenen Problemen befasst. Der andere regt sie auf, dass führt zu einer aggressiven Stimmung, so ähnlich wie oft beim Oktoberfest."
Die Loveparadeveranstalter scheinen das Problem erkannt zu haben. Glasflaschen sind verboten, um Verletzungen durch Flaschenwürfe und Scherben zu vermeiden. Außerdem wird bei der Loveparade – jedenfalls nicht an den Ständen auf dem Veranstaltungsgelände - kein hochprozentiger Alkohol ausgeschenkt.
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Auch gegen andere Drogen sprechen sich die Macher der Loveparade in einem Informationsblatt aus. "Die Loveparade spricht sich klar gegen den Drogenkonsum aus und appelliert an die Vernunft der Besucher, weder sich selbst noch andere zu gefährden", heißt es darin. Konkret wird auch gewarnt: "Die Einnahme von Ecstasy ist sehr gefährlich und kann tödlich wirken. Wer nicht Gefahr laufen möchte, eine Party im schlimmsten Fall mit dem Leben zu bezahlen, sollte die Finger davon lassen."
Loveguards für die Sicherheit und den Zucker
Damit genau dies nicht passiert, sollen zudem mehrere Hundert "Loveguards" für die Sicherheit der Raver sorgen. Sie seien unter anderem mit Wasser, Traubenzucker, Kühlgel und Ohrstöpsel ausgestattet und stünden zudem in Verbindung mit Sanitätern, die mit mobilen Sanitätsstationen schnell reagieren könnten. Verteilt werden sollen auch Kondome, damit die Liebe auf der Loveparade möglichst "safe" abläuft. Ebenfalls vom Veranstalter organisiert wurde eine Fortbildung mit Duisburger Ärzten, um diese auf den neuesten Stand der Drogenszene zu bringen. Vor allem Cannabis ist auf dem Vormarsch, hat auch der Leiter der Psychiatrischen Klinik des Marienhospitals Duisburg, Peer Abilgaard, festgestellt. Sorgen macht den Medizinern auch der Dogenmischkonsum aus Alkohol, Cannabis und chemischen Substanzen.
Der Suchthilfeverband Duisburg will die Loveparade nutzen, um in Kontakt mit möglichen Drogenkonsumenten zu treten. Insgesamt 30 Fachkräfte der Drogen- und Suchtberatung aus Duisburg und anderen Städten sind vor Ort und wollen unter anderem in der Chill-Out-Area der Loveparade für Gespräche zur Verfügung stehen. Werner Wicher vom Suchthilfeverband macht dabei ebenfalls der zunehmende Cannabiskonsum Sorgen. "Wir haben vermehrt mit Jugendlichen zutun, die erhebliche Cannabis-Suchtprobleme haben", sagt er. Eine "weiche Droge" sei Cannabis keinesfalls, vor allem, weil die Konzentration der Wirkstoffe durch neue Züchtungen deutlich höher sei als noch vor einigen Jahren.
Aber auch Alkohol werde bei der Beratung keinesfalls ausgeklammert.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de