"Die Nacht der großen Flut", 23. Juli, 20.15 Uhr auf Arte
Sein Alter ego (verkörpert von Ulrich Tukur) setzt sie entsprechend schmissig in den Spielszenen um. Als Mitte Februar 1962 die „Große Flut“ über Hamburg hereinbrach, weil die Deiche einer Sturmflut nicht standhalten konnten, war Schmidt, damals Polizeisenator, jederzeit Herr der Lage; soweit davon überhaupt die Rede sein konnte. Autor und Regisseur Raymond Ley war offenbar derart von der Persönlichkeit beeindruckt, dass er Schmidt sogar in Zwischenschnitten zeigt, wenn der sich bloß die unvermeidliche Zigarette anzündet.
Sieht man von dieser Form der Denkmalspflege ab, ist Ley mit „Die Nacht der großen Flut“ ein packender und vor allem bewegender Film gelungen. Spielszenen und die Schilderungen der Zeitzeugen ergänzen sich vortrefflich. Die Effekte mögen nicht ganz so großartig ausgefallen sein wie in dem teamWorx-Spektakel „Die Sturmflut“ (RTL) zum gleichen Thema; doch auch so wird die immer noch von Entsetzen geprägte Erinnerung der Opfer nachhaltig illustriert.
Geschickt treibt Ley zudem die Spannung auf die Spitze: Wer als Zeitzeuge zu Wort kommt, hat selbstredend überlebt. Einige der Menschen, die in den Rekonstruktionen von namhaften Schauspielern verkörpert werden (Christiane Paul, Arndt Schwering-Sohnrey), tauchen in der Rahmenhandlung jedoch nicht auf, so dass lange offen bleibt, ob sie zu den 315 Opfern der Katastrophe gehören.
Am ergreifendsten sind die Szenen mit einem Familienvater (verkörpert von Florian Lukas), der am späten Abend zur Nachtschicht aufbricht und am nächsten Morgen schockiert vor seinem zerstörten Haus steht; von seiner Frau und den beiden Kindern fehlt jede Spur. Man will die Wahrheit nicht wahrhaben, doch sie ist unausweichlich; dem Mann steht auch über vierzig Jahre nach der Flut noch die Erschütterung ins Gesicht geschrieben.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).