Den Londoner Nebel kennt wohl jeder, zumindest vom Hörensagen. Der Nebel im nordchilenischen Iquique hingegen ist nur wenigen bekannt. Dabei sei die Stadt am Pazifik das "Mekka" der Nebelforscher, sagt Prof. Otto Klemm. Bei dem Klimatologen leuchten die Augen, wenn er von Iquique spricht. "Ganz dichter Nebel mit Wind - traumhaft zum Melken." Der Wissenschaftler vom Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster meint damit das Auffangen von Nebel zu Forschungszwecken. Aber auch zur Trinkwassergewinnung werden in Südamerika und anderswo in der Welt riesige Netze aufgespannt.
Dieses Thema steht von Sonntag an in Münster auf der Agenda der 5. Internationalen Nebel- und Taukonferenz. Dazu kommen rund 140 Nebelexperten aus mehr als 30 Nationen zum ersten Mal in Europa zusammen.
Spanien in 50 bis 100 Jahren von Wasserarmut bedroht
Dass gerade regenarme Regionen der Erde - Iquique liegt am Rande der Atacama, der trockensten Wüste der Welt - so viel Nebel haben, ist von Bedeutung für künftige Generationen. Denn es erlaubt die Trinkwassergewinnung dort, wo es sonst knapp mit dem nassen Gut ist. Oder, wo es in Zukunft knapper wird. "Wir reden dabei nicht nur von Südamerika und Afrika. Spanien zum Beispiel wird wahrscheinlich schon in 50 bis 100 Jahren unter extremer Wasserarmut leiden."Dort gibt es Überlegungen, Flüsse umzuleiten, oder riesige Anlagen zur Meerwasserentsalzung zu bauen.
Einige spanische Gegenden haben aber Nebel satt. Prof. Klemm erklärt die geografische Besonderheiten solcher Regionen: "An der Küste Ostspaniens, zum Beispiel in der Region Valencia, liegen wie auch an der Pazifikküste Südamerikas oder in Ostafrika Gebirgsketten sehr nah am Meer. Über dem Meer bilden sich Wolkendecken; sie ziehen an Land, Nebel staut sich an den Berghängen und kann gemolken werden." Der Experte schränkt aber auch ein, dass Nebelmelken zur Lösung künftiger Trinkwassernotstände nicht ausreichen wird - "zumindest nicht im großen Stil."
Nebelnetze: Geringe Anschaffungskosten, schwierige Wartung
Die Wasserstiftung setzt dennoch auf den Wasserspeicher Nebel: "Vor einigen Jahren sind wir noch belächelt worden. Aber letztlich haben wir bei der Versorgung von Kleinbauern oder Schulen in Eritrea einige Erfolge erzielt", berichtet Stiftungsvorsitzender Ernst Frost. "In der Nebelsaison kann man mit einem Netz täglich bis zu 170 Liter Wasser in bester Qualität melken. Das reicht für eine richtig große Familie."
Allerdings erweise sich die Nachhaltigkeit, also die längerfristige Betreuung und Wartung der Netze durch die Einwohner als schwierig. Da sei noch mehr Aufklärung nötig, sagt Frost. Aber: Trinkwasser aus Tankwagen sei für viele Menschen in Afrika nicht bezahlbar. Frauen und Kinder müssten oft stundenlang zur nächsten Wasserstelle laufen.
Nebelforscher Klemm verweist auch auf die geringen Anschaffungskosten. Die Netze selbst, auch Nebelkollektoren genannt, kosten rund zehn Euro, die Gestelle seien teils mit am Ort vorhandenen Materialien zu bauen. Die Netze müssen zudem nicht mal eigens hergestellt werden: "Es handelt sich um Gewebe aus Kunststofffasern, das in heißen Regionen als Sonnenschutz etwa für offene Autogaragen oder im Gartenbau genutzt wird", erklärt der Experte.
Viel Grundlagenforschung nötig
Die 140 Nebelexperten - darunter Chemiker, Geografen und Meteorologen - beschäftigen sich bei dem fünftägigen Kongress auch damit, wie man etwa mit Satelliten Nebel erspähen kann. Die Informationen sind für Wettervorhersagen und den Flug- oder Straßenverkehr wichtig. "Viel ist aber auch Grundlagenforschung. Wir erforschen, wie sich Nebel zusammensetzt und entwickelt, wie stark er verschmutzt ist und welche chemischen Reaktionen dort ablaufen."
Einen interessanten Ort für diese Forschungen hat Prof. Klemm bereits ausgemacht: ein sehr nebelreicher Wald in Taiwan. Dort verbringen seine und einheimische Studenten oft viele Nächte, um mit ihrer komplizierten Analysetechnik den Geheimnissen des Nebelwaldes auf die Spur zu kommen.