Die Betreuung sterbender Menschen lässt nach einer internationalen Studie in vielen Ländern zu wünschen übrig. Deutschland kam in den Untersuchung der Lien-Stiftung aus Singapur in 40 Staaten nur auf Platz 8. Dieses Ergebnis hält die Deutsche Hospizstiftung als Patientenschutzorganisation noch für viel zu gut. "Realistischer wäre Platz 20", sagte Geschäftsführer Eugen Brysch. Den Sprung zur Professionalität in der Versorgung Sterbender habe Deutschland verschlafen.
In der Studie landen Länder wie Finnland, Dänemark, die Schweiz und Schweden, deren Gesundheitssysteme als vorbildlich gelten, auf hinteren Plätzen zwischen 16 und 28. Als vorbildlich gilt dagegen Spitzenreiter Großbritannien. Auch Irland, Belgien, Österreich und die Niederlande schlossen sehr gut ab. Schlusslichter waren China, Brasilien, Uganda und Indien. Untersucht wurde unter anderem, welche staatlichen Hilfen es für Todkranke gibt. Fragen waren auch, ob eine Regierung Standards für die Versorgung in den letzten Monaten entwickelt, ob das Thema Lebensende öffentlich diskutiert wird und es eigens geschultes Pflegepersonal für Sterbende gibt.
Tod und Sterben sind oft noch Tabuthemen
Nicht alle Länder mit hoher Lebensqualität helfen Sterbenden, die letzten Tage so würdevoll wie möglich zu verbringen, lautet ein Fazit der Studie. Tod und Sterben gelten noch zu oft als Tabu-Themen. Großbritannien schneide deshalb so gut ab, weil die Gesellschaft das Thema offen angehe, Pflegepersonal und Ärzte speziell ausbilde und der Einsatz von Opiat-Schmerzmitteln gebilligt werde.
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In Deutschland möchten die meisten Menschen in Ruhe zu Hause sterben. Doch oft geht dieser Wunsch nicht in Erfüllung. "Die Versorgung sterbender Menschen ist in der Vergangenheit zum großen Teil an Krankenhäuser verlagert worden. Vielfach gilt noch das Grundverständnis, dass Medizin heilen muss", sagt Birgit Weihrauch, Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes. Bei Ärzten und auch in der Gesellschaft sei es ein Prozess, sich einzugestehen, dass man Schwerstkranke mit moderner Medizin nicht mehr heilen kann.
Weihrauch sieht die Gesetzgebung in Sachen "Sterbequalität" in Deutschland allerdings auf einem guten Weg. Seit 2007 gebe es einen Rechtsanspruch auf die sogenannte spezialisierte ambulante Palliativversorgung, die das Sterben zu Hause ermöglicht. Seit 2009 werde Hospizarbeit viel besser finanziert. Seit 2009 gelte auch das Gesetz über Patientenverfügungen. Ein Problem sei aber die Umsetzung in der Praxis. Vor allem in ländlichen Gebieten ist es schwierig, eine Versorgung Sterbender zu Hause aufzubauen, ergänzte sie.
Hospizdienste funktionieren vor allem ehrenamtlich
Patientenvertreter Brysch sieht die Entwicklung weitaus negativer. Von rund 830.000 Sterbenden in Deutschland im Jahr erhielten nur acht Prozent eine angemessene Pflege und Schmerztherapie, sagte er. "Laut der Weltgesundheitsorganisation sollten es 60 Prozent sein." Nach drei Jahren Rechtsanspruch auf das Sterben zu Hause werde erst 4.000 statt der geplanten 80.000 Menschen dieser Wunsch erfüllt. Nur vier Prozent der Deutschen stürben in einem Hospiz. Denn es gibt bundesweit erst 180 stationäre Einrichtungen. Dazu kommen 190 Palliativstationen an Kliniken und 1.500 ambulante Hospizdienste, die vor allem von ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen werden.
"Wir haben 20.000 Notrufe im Jahr", berichtete Brysch. "Da geht es um Krisen mit Ärzten, Pflegepersonal und Krankenkassen." Zuletzt habe ein sterbender Mann zwei Stunden lang höllische Schmerzen gelitten, bis ein Arzt gekommen sei. Alten- und Pflegeheime blieben bei der Palliativversorgung völlig außen vor.
Dieses Versäumnis in Senioren- und Pflegeeinrichtungen kritisiert auch Birgit Weihrauch. Die Häuser müssten sich viel mehr öffnen, besser vernetzen und zum Beispiel ambulante Hospizdienste mit einbinden.
Die Studie aus Singapur kommt zu dem Schluss, dass mehr Palliativpflege auch die Gesundheitsausgaben senken kann. Bei guter ambulanter Sterbebegleitung und Hospizpflege würden Todkranke etwa seltener in die Notaufnahme der Krankenhäuser gebracht.