Seit 15 und 10 Jahren ist die Isolation der Knastalltag des Geiselgangsters Michael Heckhoff (51) und des Mörders Peter Paul Michalski (46). Erst der Prozess um ihre spektakuläre Flucht aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen und Geiselnahme im vergangenen Jahr machte die Haftumstände öffentlich. Rechtliche Grundlage dafür ist die Einzelhaft mit besonderen Sicherungsmaßnahmen im Strafvollzugsgesetz. Heckhoff und Michalski gelten als besonders fluchtgefährdet.
Michalski erscheint vor Gericht stets hager, blass, fast kahlgeschoren, in sich gekehrt. Die Einzelhaft habe ihn geistig und seelisch verändert, stellten die Verteidiger Andreas Chlosta und Detlev Binder fest. Ihr Mandant klage über Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel und Störungen des Blutdrucks. Ein Gutachten soll nach der Sommerpause klären, inwieweit Michalski verhandlungsfähig ist.
Das Gesetz sieht alle drei Monate eine Überprüfung vor
"Jede langfristige Isolation verstößt sicher gegen Menschenrechte", sagt der Bremer Strafrechtler Professor Johannes Feest. Zu dieser Einschätzung käme auch das Antifolterkomitee des Europarats, wäre es mit einem solchen Fall konfrontiert, meint er.
Wenn Gefangene über Monate und Jahre isoliert werden, "müsste eigentlich jemand intervenieren und sich die Sache genauer anschauen." Dazu brauchte man einen unabhängigen Ombudsmann. Den nordrhein-westfälischen Ombudsmann hält er bei solchen Fällen für ungeeignet, "weil er vor zwei, drei Jahren von der Ministerin eingesetzt wurde, mehr zur Rechtfertigung des Ministeriums".
Das NRW-Justizministerium verweist auf das Strafvollzugsgesetz. Ansonsten macht es keine Angaben zur Haftsituation der Schwerverbrecher, "weil diese Fragen Gegenstand der Beweiserhebung des Landgerichts Aachen sein könnten".
Laut Gesetz dürften Gefangene nicht länger als drei Monate ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde isoliert werden, betonen die Michalski-Verteidiger. "Für Michalski ist nie ein Antrag gestellt und nie einer bewilligt worden", sagte Verteidiger Detlev Binder. Damit sei dem Teufelskreis im Vollzug Tür und Tor geöffnet.
Gegen die Isolationshaft hilft nur Selbstmord oder Flucht
Nach dem Mord bei einem Freigang galt Michalski als hochgefährlich und wurde deshalb alle drei bis vier Jahre in ein anderes Gefängnis verlegt. Die Ausnahme wurde zur Regel: Immer wieder Isolationshaft, ohne Überprüfung der Notwendigkeit, meinen die Anwälte. Nach dem Mord 1994 sei er aber tatsächlich nicht mehr negativ aufgefallen.
Die JVA Aachen hatte ihm 2009 sogar noch ein gutes Zeugnis ausgestellt, er verhalte sich "unauffällig und konform". Der 46-Jährige bekam Haftlockerung, durfte arbeiten. Obwohl es laut einem JVA-Bericht vom Februar 2009 keine Anzeichen für Flucht gab, wurde er trotzdem weiter als "fluchtgefährdet" eingestuft. Für die nächste anstehende Verlegung bedeutete das: Isolation, wie gehabt. "Um nichts in der Welt wollte ich wieder in Isolationshaft", hatte Michalski vor Gericht seine Flucht begründet. Er habe vor der Wahl gestanden: Selbstmord oder Flucht.
Ministerien wissen immer Bescheid
Auch Manfred Pollähne vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sieht in der Isolation den Verstoß gegen europäisches Menschenrecht. Das Strafvollzugsgesetz lasse zwar Vorkehrungen gegen eine erhöhte Fluchtgefahr zu. "Aber hier reden wir nicht von drei Monaten, sondern von 10 und 15 Jahren", sagte der Vorstand der Kölner Organisation.
Fälle wie diese spielten sich normalerweise verdeckt hinter Gefängnismauern ab. "Sicher gibt es keine offiziellen Statistiken, weil man sich im Wissen der zuständigen Behörden jenseits der Legalität bewegt." Die Ministerien seien in solchen Fällen immer involviert.