Augenschmaus und Gaumenkitzel: Essbare Blüten
Rosen für süße Speisen, Kapuzinerkresse krönt Suppen, Phlox-Blüten schmecken auf Broten: Schon in der Antike wurde Speisen mit Blüten eine besondere Note verliehen.
22.07.2010
Von Dieter Sell

Im sommerlichen Garten von Ursula Schröder in Taaken bei Bremen blühen Rosen, Phlox, Dahlien und Taglilien in rauschenden Farben um die Wette. Die Blumen sind ein Augenschmaus und duften besonders am Morgen betörend. Viele Blüten sind essbar und bringen mit ihren Aromen die Blumenwiese auf den Teller. "Die Blütenküche ist mehr als ein Salat mit Kapuzinerkresse oder eine Limonade, die mit Blüten dekoriert wird", sagt die Expertin, die Rezepte sammelt und Blütenseminare genauso wie Kräuterführungen organisiert.

"Blüten sind eine Quelle der Inspiration"

Ursula Schröder geht es um eine mehr als 2.000 Jahre alte Kunst. Schon in der Antike wurde Speisen mit Blüten eine besondere Note verliehen. "Die Römer bauten in Plantagen Rosen, Nelken und Veilchen an und verfeinerten damit ihre Gerichte", berichtet Schröder. Die Mystikerin, Äbtissin und Ärztin Hildegard von Bingen (ca. 1098-1179) beschrieb später akribisch die Heilwirkung von Blumen und Blüten.

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"Sie beschwichtigen die meisten Übel", schwärmte sie und empfahl einen Sud aus Malven, Wein und Storchschnabel als Wundheilmittel. Die Blütenblätter der Rose sollten über die Augen gelegt werden: "Sie machen dieselben klar und ziehen das Trieffen heraus." Bis ins 19. Jahrhundert fanden sich in deutschen Rezeptbüchern noch Kochanleitungen für Königskerzensuppe, Schlüsselblumenwein und Veilchensirup.

Expertinnen wie Ursula Schröder wollen die Blütenküche wieder populär machen, die Schätze aus dem vergessenen Sommerparadies heben. "Blüten sind eine Quelle der Inspiration", wirbt die 61-jährige Beraterin der Landwirtschaftskammer. Sie entwickelt Rezepte etwa für Frischkäse im Rosenbett, Pelargonien-Plätzchen von der Zitronengeranie, geschmorte Hähnchenbrust mit Taglilien und Honigklee-Likör. Die Palette ihrer Zutaten reicht von "A" wie Agastachen bis zu "Z" wie Zucchiniblüten, deren Kelche etwa in Bierteig frittiert und mit Hackfleisch die Zunge deftig kitzeln.

Nur Bekanntes Pflücken

Doch wenn Flowerpower auf den Tisch kommt, sollte nur Bekanntes gepflückt werden, rät Schröder. Sie warnt vor giftigen Blüten von Fingerhut, Nieswurz, Trompetenblume und Herbstzeitlose. Außerdem wird am besten frisch an sonnigen Tagen geerntet, wenn der Tau gerade abgetrocknet ist. Scheint die Sonne lange auf die Blüten, verflüchtigen sich die ätherischen Öle, die den Geschmack bestimmen. "Morgens sind Duft und Aroma am stärksten", sagt Schröder. Hände weg auch von gespritzten und belasteten Blüten aus dem Blumenladen und vom Straßenrand.

Vieles verfeinert die Fachfrau mit dem, was sie in ihrem Garten findet, aber auch mit Blumen von der Wiese. Auf ihrer Speisekarte stehen Blüten in Essig, Öl, Butter und Brot oder kombiniert mit Salaten. Frischkäse und Gelees werden genauso wie Konfitüren, Honig, Getränke und Eis verfeinert. Dabei eignen sich Rosen besonders für süße Speisen, Kapuzinerkresse krönt Suppen. Phlox-Blüten sind butterzart, honigsüß und schmecken auf Broten, im Salat oder mit erfrischend-sommerlichen Getränken wie Holunderblütenlimonade.

"Vor dem Kochen alles kopfüber ausschütteln, damit keine versteckten Insekten in die Speisen kommen", erinnert Schröder. Außerdem sollten Staubgefäße und Stempel entfernt werden, weil sie Allergien auslösen können.

"Blüten in der Küche verwöhnen unsere Sinne"

Im brandenburgischen Schöneiche hat Blütenexpertin Martina Kabitzsch aus den Blüten ein Geschäft gemacht und beliefert mit ihrer "Manufaktur von Blythen" Sterneköche. Mehr und mehr interessieren sich jedoch auch Hobbyköche für die Blütenküche. Kochkurse und Seminare sind regelmäßig ausgebucht, neue Bücher mit Blütenmenüs erscheinen.

"Es geht um die lange vergessene Kunst, einem Gericht mit einem Hauch feinen Blütenaromas eine ganz besondere Note zu verleihen", sagt Kabitzsch. Und Ursula Schröder ergänzt: "Blüten in der Küche verwöhnen alle unsere Sinne."

epd