Schlechte Noten für Anlageberatung der Banken
Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz hat sich die Beratungsqualität bei Geldinstituten in Deutschland verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung. Insbesondere bei der Protokollierungspflicht hapert es.

Die Anlageberatung bei Geldinstituten in Deutschland hat sich laut Stiftung Warentest weiter verschlechtert - allen Beteuerungen der Branche nach der Finanzkrise zum Trotz. Nach Testbesuchen in 21 Banken, Volksbanken und Sparkassen bekamen sechs Institute die negativste Note "mangelhaft". Die Note "gut" wurde gar nicht vergeben, wie die Stiftung am Dienstag in Berlin mitteilte. Das "jämmerliche" Ergebnis sei noch schlechter als in einer ersten Studie im vergangenen Jahr. Verbraucherschützer forderten mehr Kontrollen.

Tester machen "flächendeckende Verstöße" aus

"Verantwortlich für die schlechten Noten sind flächendeckende Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz", sagte Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift "Finanztest". Geldinstitute müssen seit Jahresbeginn ein Beratungsprotokoll erstellen, wenn die Rede auf Wertpapiere kommt. In der Untersuchung, für die im März und April 146 Beratungsgespräche in Filialen geführt wurden, sei dies 126 mal der Fall gewesen. Doch bei mehr als der Hälfte der Termine (65 mal) habe es kein Protokoll gegeben, obwohl ausdrücklich danach gefragt worden sei.

Weitere Fragen an die Kunden, die gesetzlich vorgeschrieben sind, hätten die Berater nun häufiger gestellt als bei der vorigen Studie. "Trotzdem sind die Banken noch weit von einem guten Ergebnis entfernt", sagte Tenhagen. Rund ein Drittel der Testkunden seien etwa nicht nach Einkommen, Vermögensverhältnissen oder Ausbildung gefragt worden, was für eine Beratung aber nötig sei. In den meisten Fällen hätten die Berater zudem ein zu riskantes Anlagekonzept empfohlen. Im Test wurde danach gefragt, 35.000 Euro für zehn Jahre anzulegen. Am Ende sollte die Summe auf jeden Fall wieder da sein, auch bei möglichen zwischenzeitlichen Verlusten.

Insgesamt schnitten die untersuchten Geldhäuser schlechter ab als bei einer vergleichbaren Studie im Sommer 2009. Damals bekamen zwei das Urteil "mangelhaft". Nun bekamen sechs Institute diese schlechteste Bewertung, zwölf die Note "ausreichend", drei Sparkassen ein "befriedigend". Ein Testsieger wurde nicht gekürt.

Verbraucherministerin zeigt sich alarmiert

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) erhöht den Druck auf die Banken und warnt sie vor Ignoranz. "Einige Banken glauben eben noch immer, sie könnten die Wünsche und Vorstellungen ihrer Kunden ignorieren", sagte Aigner am Dienstag. "Es kann nicht sein, dass gerade in den Beratungsgesprächen gesetzliche Vorgaben teilweise bewusst umgangen werden."

Die Ministerin nannte es besonders alarmierend, wenn Mitarbeiter offensichtlich nicht über die gesetzlichen Vorgaben Bescheid wüssten. Ihre Kritik sieht die Verbraucherministerin bestätigt. "Viele Banken haben aus ihren Fehlern wenig gelernt und leisten sich weiterhin gravierende Versäumnisse."

Aigner warnte die Banken, gegen die gesetzlichen Regeln für die Beratung zu verstoßen. "Ich fordere die Kreditinstitute auf, ihren gesetzlichen Pflichten nachzukommen und ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen", sagte die CSU-Politikerin. "Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz sind kein Kavaliersdelikt und müssen konsequent geahndet werden. Im Interesse der Verbraucher dürfen gravierende Verstöße nicht ohne Konsequenzen bleiben."

Verbraucherschützer fordern mehr Kontrollen

Banken und Sparkassen räumen Defizite bei ihrer Kundenberatung ein. Es gebe "bei der Handhabung von Protokollen nach einer Wertpapieranlageberatung von Neukunden offenbar noch deutlichen Nachholbedarf", teilte der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) als Dachorganisation des deutschen Kreditgewerbes am Dienstag mit.

Der ZKA vertrat die Ansicht, das Gesetz sehe die Pflicht, ein Beratungsprotokoll auszuhändigen, "nach der Empfehlung eines konkreten Wertpapiers" vor. "Eine generelle Erwähnung von Wertpapieren, ohne dass ein konkretes Wertpapier empfohlen wurde, führt jedoch noch nicht zu einer Protokollierungspflicht", heißt es in der Stellungnahme. Hier müsse sich "die Anwendung der neuen Vorgaben in der Praxis noch einspielen und wo nötig auch verbessert werden". Das ZKA hob hervor, ohne Berücksichtigung der Protokollierungspflicht habe "Finanztest" insgesamt eine bessere Qualität der Anlageberatung bei fast allen getesteten Instituten festgestellt.

Die Stiftung Warentest forderte mehr Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen. Dafür sei etwa die Aufsichtsbehörde BaFin gefragt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband verlangte: "Ohne klare gesetzliche Vorgaben und effektive Kontrollen durch die Finanzaufsicht wird sich an der Qualität der Anlageberatung durch Banken und Finanzvermittler nichts ändern." Die Beratung dürfe nicht mehr von Provisionen getrieben sein.

Mehr Zeit für Kunden wichtig

Bei vielen Banken hapert es nach Meinung von Experten noch an kundennaher Beratung. "Den Vertrieb auf neue Konzepte einzuschwören, ist die größte Herausforderung", sagte Frank Niemeyer von der Hamburger Unternehmensberatung Innovalue der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. "Der Vertrieb orientiert sich an kurzfristigen Zielen, wichtig ist aber die langfristige Kundenbeziehung. Das muss in Einklang gebracht werden."

Gerade im Vertrieb gehe es den Mitarbeitern darum, möglichst viele Abschlüsse zu erreichen. Die nun eingeführten Protokolle kosteten den einzelnen Mitarbeiter allerdings viel Zeit. Nach Meinung von Niemeyer müssen die Banken ihre Vertriebsmitarbeiter von anderen Aufgaben entlasten, damit sie sich mehr Zeit für ihre Kunden nehmen können.

Dass die Banken beim Thema Beratungsqualität ihre Hausaufgaben noch machen müssen, daran hat Niemeyer keinen Zweifel. "Das sehen auch die Vorstände vieler Banken in Deutschland so." Künftig werde die Beratungsqualität entscheiden, wie eine Bank am Markt wahrgenommen wird.

dpa