Mit einer gewissen Genugtuung verweist man in der FDP inzwischen auf die Probleme der Union. Nachdem bei den Liberalen ein dreiviertel Jahr nach Regierungsübernahme endlich Ruhe einzukehren scheint, stehen plötzlich die Personalprobleme der CDU im Fokus. Diese Probleme könnten allemal nachhaltiger für Union und schwarz-gelbe Koalition werden als die bisherigen Streitereien.
Generationswechsel oder Ausdruck großer Unruhe?
Der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, sind innerhalb eines knappen Jahres sechs Ministerpräsidenten und ein Bundespräsident abhandengekommen: Dieter Althaus (Thüringen), Günther Oettinger (Baden-Württemberg), Roland Koch (Hessen), Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen), Christian Wulff (Niedersachsen), und jetzt ist auch Ole von Beust (Hamburg). Nach wochenlangen Spekulationen über seine Amtsmüdigkeit bemühte er die Bibel, um seinen Rücktritt anzukündigen: "Die biblische Erkenntnis, alles hat seine Zeit, gilt auch für Politiker. Selbstverständlich gilt sie auch für mich."
Das ist kein normaler Generationswechsel, wie dies zuletzt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der "Welt am Sonntag" glauben machen wollte, zumal es sich um Parteimitglieder im besten Politikeralter zwischen 50 und 60 Jahren handelt. Das sind vielmehr Wechsel, die sich in unterschiedlicher Form nachhaltig auf die Parteistruktur auswirken könnten.
Schwelender Machtkampf
Man hat die Bilder noch im Kopf: Merkel auf dem Weg an die Spitze der CDU und ins Kanzleramt, umgeben von sogenannten Alpha-Männchen wie Edmund Stoiber, Friedrich Merz, Roland Koch oder Christian Wulff. Stoiber erledigte sich für Merkel durch den Generationswechsel innerhalb der CSU von selbst. Merz unterlag ihr in einer kurzen aber heftigen Auseinandersetzung um den Fraktionsvorsitz.
Für Dieter Althaus, der ohnehin nie als ernsthafter Konkurrent Merkels gesehen wurde, kam das Aus nach einem Unfall auf der Piste mit tödlichen Folgen für eine Skifahrerin. Günther Oettinger fiel über seine eigenen Fehler und konnte sich letztlich gegen das Wegloben auf den Posten eines EU-Kommissars nicht mehr wehren.
Der Machtkampf Merkels mit den anderen CDU-Ministerpräsidenten schwelte indes all die Jahre weiter. Man belauerte sich, ohne ihn direkt auszutragen. Dabei spielte die Zeit für Merkel. Sie konnte ihre Position in Partei und Kanzleramt festigen. Und nach der Wiederwahl im Herbst vergangenen Jahres verdüsterten sich die Aussichten der Konkurrenten zusehends.
Verunsicherung in der CDU
Roland Koch, nach den Wahlen im eigenen Land ohnehin angeschlagen, gab auf und sucht offensichtlich den Weg in die Wirtschaft. Der überraschende Rücktritt von Horst Köhler als Bundespräsident eröffnete Wulff die Chance, auf einen Job auszuweichen, der ihn aus den Niederungen der Parteipolitik heraushebt. Rüttgers wird sich von der Wahlschlappe in NRW nicht mehr erholen. Hoffnungsträger wie Oettinger-Nachfolger Stefan Mappus oder Wulff-Nachfolger David McAllister müssen ihre Position erst noch finden. Hamburgs designierter neuer Regierungschef Christoph Ahlhaus ist bundespolitisch noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.
Wurden die ersten Erfolge Merkels in diesen Machtkämpfen in Partei wie Öffentlichkeit noch mit viel Sympathie begleitet, wächst spätestens seit der Rückzugsankündigung Kochs die Verunsicherung in der CDU über die künftige Ausrichtung der Volkspartei. Denn die Lücken, die die Konkurrenten hinterlassen, sind offensichtlich. Koch war für Konservative und Wirtschaftsflügel Integrationsfigur. Rüttgers deckte die Interessen des Arbeitnehmerflügels ab.
Auch Modernisierer wie Ole von Beust, der sich aus den Machtkämpfen in der CDU herauszuhalten pflegte, sind für die Partei nicht geringzuschätzen. Er brachte vor zwei Jahren in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition zustande, ein Modell, das für etliche in der CDU eine Perspektive haben könnte.
Parteitag mit Spannung erwartet
Auf die Frage, ob der Union die Integrationsfigur fehle, sagte Merkels Vorgänger im Amt des Parteichefs, Schäuble, der "WamS": "Nein. Wir haben doch die Parteivorsitzende. Sie ist die erste Integrationsfigur." Das klingt aus dem Munde des 67-Jährigen, der schon unter dem übermächtigen Helmut Kohl Bundesminister war und lange Zeit als dessen Kronprinz galt, nicht völlig überzeugend.
Mit Spannung wird erwartet, wie sich die CDU beim Parteitag Mitte November in Karlsruhe personell neu aufstellt, oder genauer: wie Merkel die Partei personell neu aufstellt. Bis dahin dürfte die Kritik an ihrem Führungsstil nicht abflauen.