Schwarz-Grün verliert Schul-Volksentscheid
Schlimmer geht es für Schwarz-Grün in Hamburg kaum noch. Erst kündigt Bürgermeister Beust seinen Rücktritt an, dann geht auch noch der Volksentscheid zur Schulreform vernichtend verloren. Wie soll es weiter gehen?
19.07.2010
Von Markus Klemm

Für Hamburgs schwarz-grüne Koalition ist es ein rabenschwarzer Tag. Erst wirft Bürgermeister Ole von Beust (CDU) die Brocken hin und kündigt nach fast neun Jahren im Amt für den 25. August seinen Rücktritt an. Und dann geht auch noch der Volksentscheid zur Schulreform vernichtend verloren. Ein zentrales Vorhaben von Deutschlands erstem schwarz-grünen Regierungsbündnis auf Landesebene ist damit schwer beschädigt. Dabei steht die Koalition schon durch den Rückzug des Bürgermeisters an einem Scheideweg.

Geringe Wahlbeteiligung

Nach Angaben von Landesabstimmungsleiter Willi Beiß votierten beim ersten verbindlichen Volksentscheid der Hansestadt 276.304 Bürger für den Erhalt der vierjährigen Grundschulen. Damit schaffte die Initiative "Wir wollen lernen" um den Anwalt Walter Scheuerl bei einer Wahlbeteiligung von nur 39 Prozent problemlos die nötige Mindestzahl von 20 Prozent der Wahlberechtigten - die exakt 247.335 Stimmen betrug.

Für Schwarz-Grün und auch die Oppositionsparteien SPD und Linke ist das aber nicht der einzige GAU. Denn die Reformgegner setzten sich nicht nur mit ihrem Wunsch nach Erhalt der Grundschulen durch. Deutlich mehr Hamburger sagten zudem explizit Nein zu den von der Bürgerschaft einmütig beschlossenen sechsjährigen Primarschulen - exakt 260.989. Dafür waren nur 218.065.

Gegensätze beim Volksentscheid

Nun einfach zur Tagesordnung überzugehen, dürfte bei solch einem Ergebnis kaum möglich sein. Das gilt vor allem für die in der Bürgerschaft vertretenen Parteien CDU, GAL, SPD und Linke, die sich sämtlich für die Schulreform ausgesprochen haben. Dagegen war nur die außerparlamentarische Opposition aus FDP, NPD und ÖDP.

Im Kern prallten bei dem Volksentscheid zwei Haltungen aufeinander. Auf der Seite der Reformbefürworter stand im Zentrum die Hoffnung auf bessere Chancen für alle Kinder - egal aus welchem sozialen Milieu sie stammen. Im Mittelpunkt der Reformgegner stand vor allem die Furcht vor einer Benachteiligung guter Schüler und der Gymnasien. Diese Positionen manifestierten sich in Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) im einen Lager und Scheuerl im anderen.

Reaktionen auf das Ergebnis

"Das macht uns schon ein bisschen stolz, dass wir heute ein so deutliches Ergebnis eingefahren haben", sagte Scheuerl. Er hoffe, dass sich die Parteien nun an den versprochenen zehnjährigen Schulfrieden halten. "Wir haben nicht nur das Parlament besiegt, sondern wir haben auch gesiegt trotz einer geballten PR-Maschinerie, die die Parteien und die Gewerkschaften und der Senat auf Kosten des Steuerzahlers zuweilen gegen uns aufgefahren haben." Das mache ihn stolz.

Beust und Goetsch betonten in einer gemeinsamen Erklärung: "Das Ergebnis ist bitter für alle, die ihre Hoffnungen in das längere gemeinsame Lernen gesetzt haben. Wir sind sehr enttäuscht, dass wir nicht genügend Menschen von der Primarschule überzeugen konnten." Die Sache sei entschieden, das müsse akzeptiert werden. Der Durchbruch zum längeren gemeinsamen Lernen sei nicht gelungen.

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn zeigte sich sehr betrübt. "Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass so wenige Menschen am Volksentscheid teilgenommen haben und von denjenigen, die abgestimmt haben, so viele gegen die Primarschule waren." Das sei sehr bedauerlich, da in Hamburg so eine große Chance verspielt worden sei.

Herbe Niederlage für Hamburger Politik

Auch wenn es nun bei den vierjährigen Grundschulen bleibt, wird sich dennoch im kommenden Schuljahr Wesentliches ändern. Schließlich sind die Primarschulen nur ein Teil der größten Hamburger Schulreform in der Nachkriegsgeschichte. Trotz der Niederlage der Befürworter längeren gemeinsamen Lernens werden die Klassen kleiner, die Lehrer mehr und die Unterrichtsstunden für jeden einzelnen Schüler vielschichtiger. Auch wird es neben den Gymnasien statt der Haupt-, Real- und Gesamtschulen nur noch Stadtteilschulen geben, die alle Abschlüsse bis hin zum Abitur nach 13 Jahren anbieten.

Ob die Hamburger nun mit ihrer Entscheidung die Kinder der Stadt tatsächlich vor Ungemach geschützt haben oder aber eine große Chance vergeben worden ist, weiß niemand. Sicher ist nur, dass die Hamburger Politik eine herbe Niederlage einstecken musste - und Schulpolitik in der Hansestadt wahrlich nicht einfacher geworden ist. Schulsenatorin Goetsch konnte da am Abend nur noch genervt sagen: "Heute ist ein ziemlicher Scheißtag gewesen."

dpa