Gabriele Matthey (53) leitet die Kindertagesstätte "Friede" der Evangelischen Kirchengemeinde Altstadt in Essen: "Hier in der Kita ist es sehr lebendig, hier wird gelacht und auch geweint oder mal gebrüllt. Das gehört alles dazu. Das gehört zum Menschsein. Gefühle müssen geäußert werden, auch Weinen und Wut. Aber es gibt auch Lärm, den ich nicht mag. Ich glaube, das hängt nicht von der Lärmquelle, sondern von meiner Befindlichkeit ab. Baustellenlärm stört mich eher, wenn es mir ohnehin nicht gut geht. Übrigens entspannt mich nicht absolute Stille, vielmehr beruhigen mich Alltagsgeräusche. Das ist wohltuende Ruhe, die ich angenehm finde."
Nicol Kaminsky (50), die Landespfarrerin leitet das Haus der Stille in Rengsdorf: "Stille gibt es außen - und innen. Die Stille in mir ist der Raum, in dem Gott mir begegnet. Äußere Stille bietet dazu einen hilfreichen Rahmen. Stille ist für mich nicht unangenehme Todesstille - Kommunikationsabbruch, sondern Leben fördernde Stille - Begegnung. Ich kann nicht auf sie verzichten."
Karin Weber (51) ist Pfarrerin in Wuppertal und Vorsitzende der Konferenz der Evangelischen Gehörlosen- und Schwerhörigenseelsorge im Rheinland: "Ich habe die Stille ganz neu entdeckt in der Gemeindearbeit mit gehörlosen Menschen. Meine erste Begegnung, die mich immer noch fasziniert: ich komme in einen Raum und es ist ruhig - akustisch. Aber es ist nicht still. Hände fliegen durch die Luft, es wird gelacht, Kaffee getrunken, eine lautlose Kommunikation findet statt. Ausdrucksstarke Mimik und Gestik deuten darauf hin - eine beredte Stille, eine angenehme Stille - nur ich verstehe nichts. Und dann tut sich mit der Zeit und dem Erlernen der Gebärdensprache eine neue Welt auf: jenseits der Stille (wird übrigens wunderbar im gleichnamigen Film von Caroline Link gezeigt auch mit allen Konflikten, die in der Berührung der beiden Welten entstehen können), in die ich freundlich aufgenommen werde.
Ja, es gibt Gebärden für Stille, sogar verschiedene, je nach dem, was gemeint ist: Die neutrale Gebärde: wie beim "pst" wird der Zeigefinger der rechten Hand an den Mund geführt und mit den Lippen das Wort Stille geformt. Bei "Stille " im Sinn einer Aufforderung: "Jetzt sei doch mal still!" geschieht das energisch. "Stille" im Sinn von "Ruhe, Frieden, Ausgeglichenheit, zu sich selbst gefunden haben" ist dieselbe Gebärde wie Frieden/Schalom, und damit - wie ich finde- sehr aussagekräftig."
Pfarrer Andreas Volke (55) ist geschäftsführender Leiter des evangelischen Kulturbüros Ruhr 2010: "Innehalten und nach innen lauschen? Ja - aber nicht zu oft. Ich merke dabei zuerst das Tinituspfeifen, was nicht ins Gewicht fällt, wenn es anderes zu hören gibt. Richtig still wird es bei mir wohl erst sein, wenn ich tot bin. Nicht Lärm, der mich stört, aber Töne, Stimmen, das Rauschen des Regens, auch Schritte vor der Tür, selbst Straßenverkehr bis hin zum Schlagen der Turmglocke, das alles hilft mir zur Orientierung. Da weiß ich, wo ich bin, was nicht heißt, dass ich alle diese Laute liebe. Ich wohne in der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens. Da sehne ich mich nach den Tagen mit Ostwind, wo sie einmal über andere Gärten fliegen. Stille empfinde ich gerne in der Kirche, etwa die innere Tiefe im Hören auf Worte, die man sonst so nicht spricht."
Tisch der Religionen, Kaffee-Parcours und Rikscha-Service: Kirchen-Programm beim "Still-Leben"