Vollbeschäftigung: Unternehmen müssen sich anstrengen
Bis 2014 könnte die Zahl der Arbeitslosen unter zwei Millionen sinken - was einer Vollbeschäftigung nahe kommt. Wollen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten, müssen sie sich vor allem um ihre älteren Beschäftigten kümmern und diese länger im Betrieb halten.

Durch spezielle Bildungsangebote kann die Leistungsfähigkeit und Motivation von älteren Beschäftigte erhalten werden. Das ergab eine wissenschaftliche Untersuchung an Mitarbeitern der Robert Bosch GmbH durch das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg. Diese Erkenntnisse müssten flächendeckend angewendet werden, fordert Dieter Berg, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert-Bosch-Stiftung, in deren Auftrag das Konzept entwickelt wurde. Das sei wichtig, um die Quote älterer Mitarbeiter im Betrieb weiter zu erhöhen und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern.

Dass Deutschland sich mehr um seinen älteren Beschäftigten kümmern muss, belegen auch aktuelle Prognosen des Forschungsinstituts Kiel Economics, die der Wochenzeitung "Die Zeit" vorliegen. Denn demnach sollen bis 2014 nur noch 1,84 Millionen Menschen arbeitslos sein, was einer Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent entspräche. Das wäre der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Manche Experten sprechen bei einem Wert von unter fünf Prozent bereits von Vollbeschäftigung. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote in Deutschland bei 7,5 Prozent. Die Kieler Forscher gehen nach Angaben der "Zeit" davon aus, dass in den kommenden Jahre keine weitere Krise die Wirtschaft erschüttert.

100 Kursstunden in drei Monaten

Und so kann ein Projekt für ältere Beschäftigte aussehen: Der Stundenplan des Praxisprojekts ELMA (Erhaltung der beruflichen Leistungsfähigkeit und Motivation älterer Arbeitnehmer) hatte es in sich: Wechselweise Walking, Gymnastik zur Entspannung und Ganzkörpertraining. Dazu Gedächtnistraining sowie Übungen zum Erhalt der Aufmerksamkeit. Nach 100 Kursstunden, verteilt auf drei Monate, sei die kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit der 100 Teilnehmer deutlich gestiegen, berichtet Jörg Hinner vom Heidelberger Institut. Der Diplom-Gerontologe hat das Konzept mitentwickelt und das Training geleitet.

Die Männer und Frauen im Alter zwischen 45 und 63 Jahren hatten sich freiwillig gemeldet und kamen aus allen hierarchischen Ebenen der Bosch-Werke in Reutlingen und Ansbach. Hinner: "Das Unternehmen stellte die Angebote zur Verfügung, die Teilnehmer ihre Freizeit."

Alleine aufgrund des demografischen Wandels sei es heute für Firmenwichtig, sich mit der Leistungsfähigkeit und Lernbereitschaft älterer Mitarbeiter auseinanderzusetzen, sagt Wolfgang Malchow, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. Das Durchschnittsalter der "Boschler" werde bis 2030 von heute 42 Jahren auf 49 Jahre steigen. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen vor allem an die geistige Flexibilität der Mitarbeiter.

Deutschland ist im europäischen Vergleich das Schlusslicht auf dem Weiterbildungssektor in Unternehmen. Nur 2,5 Prozent der älteren Arbeitnehmer (55 bis 64 Jahre) nahmen laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) 2004 an Weiterbildungsangeboten teil. Betrachtet man alle Arbeitnehmer zwischen 25 und 64 Jahren sind es 7,4 Prozent. In Schweden, das in Sachen Weiterbildung führend ist, nutzen 30,1 Prozent der älteren Arbeitnehmer, und 35,8 Prozent aller Beschäftigten betriebliche Weiterbildungen.

Identifikation mit Unternehmen erhöht

Doch allmählich nimmt in Deutschland die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer Fahrt auf, urteilte jüngst das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit Blick auf eine aktuelle Untersuchung. Förderprogramme der Arbeitsagentur für ältere oder gering qualifizierte Beschäftigte unter dem Namen WeGebAU-Programm kämen nach "anfänglichen Startschwierigkeiten jetzt in Schwung". Allerdings wusste der Studie zufolge auch im Jahr 2008 nur knapp die Hälfte der Betriebe etwas von der Existenz der Programme. Eine Umfrage bei 14.000 Firmen ergab, dass 40 Prozent der Betriebe mit über 100 Beschäftigten, die das Programm kannten, Fördermöglichkeiten nutzten. Zwei Jahre zuvor waren es nur 30 Prozent.

Gerontologe Hinner betont zudem, dass sich durch die Trainings die Identifikation der Teilnehmer mit ihrem Unternehmen erhöht habe. Entsprechend positiv sei deren Feedback ausgefallen. Hinner zitiert aus deren Aussagen: "Ich habe sehr viel für mich und meine Familie daraus gewonnen." Und: "Ich wünschte, ich hätte vieles bereits vor zehn Jahren gewusst." Andere Beschäftigte hätten betont, dass ihre Angst vor dem Altern gesunken sei.

Die Erkenntnisse aus dem Praxisprojekt bei Bosch sollen nun am Heidelberger Institut zu einem in verschiedenen Wirtschaftsbranchen und auch in der Verwaltung anwendbaren Schulungsprogramm weiterentwickelt werden. Dann, so das Ziel, sollen Firmen eine komplette Weiterbildung buchen können, samt Trainer.

epd/fra