Er starb, weil er nicht wegsah: Dominik Brunner wurde im vergangenen Herbst von Jugendlichen zu Tode geprügelt, als er sich schützend vor vier Schüler stellte. Von Dienstag an müssen sich der damals 17 Jahre alte Sebastian und der ein Jahr ältere Markus wegen Mordes an dem Manager vor dem Landgericht München I verantworten. Brunners Vater ist in dem Prozess Nebenkläger.
Es begann am Sonntagnachmittag des 12. September wie unzählige Streitereien unter Jugendlichen. Drei Ältere pöbeln am S-Bahnhof Donnersberger Brücke eine Gruppe Jüngerer an, verlangen ein paar Euro, schubsen, schlagen auch zu. Die S-Bahn in Richtung Solln fährt ein. Die Schüler steigen ein. Zwei der Angreifer, Sebastian und Markus, folgen, der dritte nimmt eine andere Bahn. In der S-Bahn sprechen die beiden darüber, dass sie von den vier 13 bis 15 Jahre alten Schülern weiter Geld wollen. Brunner, der zufällig in der S- Bahn sitzt, schaltet sich ein und versucht zu schlichten. Der 50- Jährige aus dem niederbayerischen Ergoldsbach verständigt per Handy die Polizei und bietet den verängstigten Schülern an, mit ihm bis nach Solln zu fahren.
Massiv auf Brunner eingeschlagen
Dann geht alles ganz schnell: Brunner und die Jugendlichen steigen aus, die beiden Angreifer folgen. Wer als erster die Hand zum Schlag hebt, ist unklar. Zeugen wollen gesehen haben, dass es Brunner ist, der damit den drohenden Angriff abwehren will. Dann sollen die Jugendlichen massiv auf den Mann eingeschlagen und, als er zu Boden fällt, auf ihn eingetreten haben. Er verliert das Bewusstsein. Die Polizei trifft ein - für Brunner zu spät. Er hat mehr als 40 Verletzungen erlitten, davon 22 schwere. Zwei Stunden später stirbt er im Krankenhaus.
Sebastian und Markus, die sich im Gebüsch versteckt haben und bei der Polizei bereits wegen anderer Delikte bekannt waren, werden festgenommen. Sie sitzen seitdem in Untersuchungshaft. In ersten Vernehmungen räumen sie ein, dass es eine Auseinandersetzung gab - zur Tat selbst schweigen sie.
Auf dem Weg zur Freundin
Warum die Situation eskalierte, ist nicht klar. Fühlten sich die jungen Männer provoziert, weil Brunner sich einmischte? "Weil Du nicht weggesehen hast, habe ich Dich verloren", schrieb seine Freundin in einer Todesanzeige. Dominik Brunner war auf dem Weg zu ihr, als der Überfall geschah.
"Das besonders Bestürzende an dem Fall ist, dass der Mann alles richtig gemacht hat", sagte Staatsanwalt Laurent Lafleur damals nach der Tat. Brunner habe sich vor die Kinder gestellt. Zugleich habe er nicht von sich aus versucht, gegen die Angreifer vorzugehen, sondern die Polizei alarmiert.
Im Prozess gegen Sebastian und Markus ist die Öffentlichkeit trotz des jugendlichen Alters der beiden zugelassen - gut möglich, dass die Anwälte Anträge auf Ausschluss stellen. Laut "Süddeutscher Zeitung" wollen sie vor allem versuchen, die Tat als Körperverletzung mit Todesfolge auszulegen. Der psychiatrische Gutachter Franz Joseph Freisleder habe festgestellt, dass beide in der Lage waren, ihr Unrecht einzusehen, schreibt die Zeitung.
Traurige Eskalation
Der Vorsitzende Richter der Jugendkammer, Reinhold Baier, hat vor zwei Jahren zwei ebenfalls 17 und 18 Jahre alte Täter im sogenannten U-Bahn-Schläger-Prozess zu langen Haftstrafen verurteilt; sie hatten einen Rentner brutal zusammengeschlagen, weil er sie auf das Rauchverbot in der U- Bahn aufmerksam gemacht hatte. Derzeit verhandelt Baier gegen drei Schweizer Jugendliche, die im vergangenen Sommer fünf Passanten niedergeprügelt haben.
Brunners Tod markiert eine traurige Eskalation jugendlicher Gewalt. Sein Fall sticht auch heraus, weil er sich in Gefahr brachte, um zu helfen - das löste eine Welle der Anerkennung aus. Im Gedenken gründeten sich in die Initiative "Münchner Courage" und die Dominik- Brunner-Stiftung für Zivilcourage, die von Freunden und Weggefährten ins Leben gerufen wurde. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler ehrte Brunner posthum mit dem Bundesverdienstkreuz.
Zehn Jahre Haft und lebenslänglich
Sebastian drohen nach Jugendrecht bis zu zehn Jahre Haft, Markus könnte auch nach Erwachsenenrecht verurteilt werden. Höchststrafe: lebenslänglich. Richter Baier hat für den Prozess vorerst neun Verhandlungstage angesetzt. Ob das reichen wird, ist offen: Die beiden schweigen - und es sind 53 Zeugen und vier Sachverständige geladen.
dpa