Erfolg oder Niederlage? Pro und Contra WM-Bronze
Die deutschen Fußballer sind WM-Dritter. Ein Erfolg? Ja, sagen die einen, es war ja ein tolles Turnier. Nein, sagen die anderen, denn am Ende zählt nur der Titel. Ein Pro und Contra für und wider den deutschen WM-Erfolg oder Nicht-Erfolg.
12.07.2010
Von Bernd Buchner und Hanno Terbuyken

Pro: Fußball vom Feinsten

Schon wieder Dritter. Nach dem Sommermärchen vor vier Jahren im eigenen Land hat die deutsche Nationalelf bei der Fußball-WM in Südafrika erneut nur das "kleine Finale" gewonnen. Ein Trostpreis, mehr nicht. Aber ist das ein Grund zur Enttäuschung? Keineswegs. Denn die "Mannschaft", wie von ausländischen Kommentatoren gerne genannt wird, hat bei der Weltmeisterschaft phasenweise begeisternden Fußball geboten. Und sie scheiterte an einem Gegner, der schlicht stärker war und am Ende verdient Weltmeister wurde. Gratulation an Spanien.

Die Erwartungen an die Elf von Joachim Löw waren vor dem Turnier höchst gemischt. Nach der durchwachsenen Vorbereitung, den Querelen um die vorerst gescheiterte Vertragsverlängerung des Trainerteams und dem Ausfall von Leitwolf Michael Ballack wusste niemand so recht, wo das Nationalteam steht. Natürlich wurde über den möglichen vierten WM-Titel geredet, aber das gehört im fußballverrückten Deutschland einfach dazu. Viel Substanz hatten die Hoffnungen nicht, ebenso wenig wie die Unkenrufe, mit einer so jungen Truppe würde sich am Kap nicht viel holen lassen.

Dann begann das Turnier und Schweinsteiger, Müller & Co. legten gleich mächtig los: Nach dem 4:0-Sturmlauf zum Auftakt gegen Australien ließ sich höchstens bemängeln, der Gegner sei nicht eben erste Sahne gewesen. Im zweiten Spiel fanden sich die Bundeskicker auf dem Boden der Tatsachen wieder: Nach der unglücklichen Niederlage gegen die Serben war tagelang vom drohenden WM-Aus die Rede, Pessimisten fühlten sich bestätigt. Doch Jogis Jungs ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, schafften durch das 1:0 über die starken Ghanaer den Einzug in die K.o.-Runde.

Dort präsentierte sich in den Spielen gegen England (4:1) und Argentinien (4:0) eine deutsche Nationalmannschaft, wie man sie seit drei oder vier Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte: ein herzerfrischendes Sturmspiel in Verbindung mit ballsicherem Auftreten und einer geschlossenen, zupackenden Mannschaftsleistung. In einem Wort: Fußball vom Feinsten. Die Welt staunte über dieses neue, leichtfüßige Deutschland – die "Mannschaft" war die Sensation des Turniers, auch wenn sich sie im Halbfinale der eigenen Ängstlichkeit und den übermächtigen Spaniern geschlagen geben musste.

Beim Fußball zählen Ergebnisse. Die Männer aus Madrid und Barcelona haben in der K.o.-Runde vier Mal 1:0 gewonnen und die WM für sich entschieden. Das Ergebnis, das Jogis Schnullertruppe nach Hause bringt: Wir haben die Welt begeistert und unsere Fans glücklich gemacht, auch wenn der ultimative Triumph nicht gelang. Wir haben sportlich überzeugt und positive Werbung für Deutschland gemacht, auch wenn es für den Eventpatriotismus der Fanmeilen und Public Viewings besser gewesen wäre, hätten wir den Pokal gewonnen.

Das schönste Ergebnis ist vielleicht, dass diese junge deutsche Mannschaft Lust auf mehr macht. Sie hat Zukunft. Das heißt nicht, dass "wir" in zwei Jahren Europameister oder in vier Jahren Weltmeister werden. Aber es wird weiter Spaß machen, Jogis Jungs zuzusehen. Der DFB sollte den Vertrag mit Joachim Löw schleunigst verlängern, Löw wiederum sollte Philipp Lahm die Kapitänsbinde lassen. Das Team hat gezeigt, dass es keinen alternden Leitwolf Ballack braucht. Und irgendwann geht es wieder gegen die Spanier, die ihren Zenit bereits erreicht haben. Man sieht sich wieder. Und sei es im Spiel um Platz 3.

Bernd Buchner

 

Contra: Wir wollen Titel sehen!

Als die deutsche Nationalmannschaft 2006 Weltmeisterschafts-Dritter wurde (übrigens ein Platz schlechter als 2002!), da hieß es: Das war ein Sommermärchen! Die Mannschaft ist noch jung, sie hat noch Potential, da geht noch was. In vier Jahren.

Als die deutsche Nationalmannschaft 2008 Europameisterschafts-Zweiter wurde, war die Enttäuschung groß, aber die Mannschaft war ja noch jung, sie hat noch Potential, da geht noch was. In zwei Jahren.

Als die deutsche Nationalmannschaft 2010 Weltmeisterschafts-Dritter wurde, sagte Oliver Kahn nach dem Finale zwischen Spanien und Holland: Die Deutschen könnten ja 2014 Weltmeister werden. Die hätten ja noch Potential.

Leute: Von tollem Fußball kann man sich nichts kaufen! Es reicht mit dem potentiellen, wir wollen einen Titel! Jogi Löws Arbeit in allen Ehren, aber so richtig als Erfolg kann man den dritten Platz bei dieser WM nicht verkaufen. Es war ein "versöhnliches Ende", das war der Tenor. Oder anders gesagt: Hätten wir nicht wenigstens Bronze gewonnen, hätte es richtig Ärger gegeben.

Der Sieg gegen Uruguay war das mindeste, ein Pflichtsieg. Die Mannschaft wusste genau, dass sie nicht nur die Erwartungen der Fans, sondern auch ihre eigenen enttäuscht hat. In jedem Interview schwang das "eigentlich wollten wir ja mehr" mit. Die Spieler verabschiedeten sich gleich in den Urlaub und kamen nicht zum Feiern nach Deutschland, weil es nichts zu feiern gab!

Die Public-Viewing-Plätze waren weitgehend leer zum Spiel um Platz 3. Warum? Weil alle wussten: Es ging um nichts außer dem Kampf gegen die Peinlichkeit. Auch nach dem 3:2 gegen Uruguay feierte Deutschland nur für fünf Minuten, danach war wieder Alltag. Denn für uns ging es um weniger als einen Blumentopf. Die Mission von Jogis Jungs war der vierte Stern auf der Brust, das war allen klar! Diese Mission ist gescheitert, trotz der "besten Nationalmannschaft aller Zeiten", die Philipp Lahm in den 23 deutschen WM-Spielern ausgemacht hatte.

Was also bleibt von dieser WM? Thomas Müllers "Goldener Schuh". Na super. Da kräht in zwei Jahren kein Hahn mehr nach. Nicht einmal den WM-Tor-Rekord von Ronaldo konnte Miroslav Klose einstellen! Ansonsten war da ein Tor gegen England, das noch jahrelang in den WM-Highlight-Sendungen dieser Welt auftauchen wird. Aber auch das entschädigt nicht dafür, die schönste Trophäe der Welt wieder nicht in den Händen eines Bundestrainers zu sehen – und mal wieder richtig ausgelassen Fußball feiern zu können, nicht nur potentiell.

Der letzte Bundestrainer, der einen Titel nach Deutschland holte, war Berti Vogts bei der EM 1996! Jogi Löw darf gerne bleiben, aber dann muss er endlich Schluss machen mit dem "potentiell" und wieder einen Titel holen. Und zwar nicht nur den EM-Sieg in Polen, sondern endlich – endlich! – den vierten Stern auf dem deutschen Trikot.

Hanno Terbuyken


Bernd Buchner und Hanno Terbuyken sind Redakteure bei evangelisch.de.