Bundeswehr beginnt 2011 den Rückzug aus Afghanistan
In Umfragen gibt es für den Afghanistan-Einsatz schon lange keine Mehrheit mehr. Vor der nächsten internationalen Konferenz bemüht sich die Bundesregierung um mehr Zustimmung. Außenminister Westerwelle verspricht, dass die Bundeswehr 2011 die erste Provinz verlässt.

Die Bundeswehr wird sich bereits im nächsten Jahr aus der ersten von neun Provinzen in Nordafghanistan zurückziehen. Das kündigte Außenminister Guido Westerwelle am Freitag im Bundestag an, legte sich aber weiterhin nicht auf ein konkretes Datum für den Abzug aller deutschen Soldaten fest.

Trotz leerer Staatskassen soll am Afghanistan-Engagement nicht gespart werden. Im Gegenteil: 2010 fließen mit 1,25 Milliarden Euro so viele Steuergelder in den Bundeswehr- und Polizeieinsatz, den Wiederaufbau und die Entwicklungshilfe wie nie zuvor. Die Opposition verlangte einen konkreten Zeitplan für den Abzug.

Westerwelle gab wenige Tage vor der nächsten internationalen Afghanistan-Konferenz am 20. Juli in Kabul eine Regierungserklärung ab. Darin verteidigte er die vor einem halben Jahr beschlossene neue deutsche Afghanistan-Strategie. "Der Einsatz ist gewiss nicht populär, aber unverändert notwendig und in unserem eigenen Interesse." Von Präsident Hamid Karsai forderte er eine bessere Regierungsführung und ein härteres Vorgehen gegen Korruption.

"Schrittweise Rückführung" beginnt in einer von neun Provinzen

Mit Blick auf die zunehmenden Forderungen nach einem baldigen Rückzug der Bundeswehr bekräftigte Westerwelle: "Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode die Voraussetzung dafür schaffen, dass mit der schrittweisen Rückführung unserer militärischen Präsenz in Afghanistan begonnen werden kann." Dazu solle die Bundeswehr 2011 in "mindestens einer" Provinz die Verantwortung an die einheimischen Sicherheitskräfte übergeben.

Insgesamt umfasst das deutsche Einsatzgebiet im Norden des Landes neun Provinzen. Zwei davon - Kundus und Baghlan - zählen zu den gefährlichsten Gegenden des Landes. Die NATO will sich im kommenden Jahr aus mindestens 3 von 34 afghanischen Provinzen zurückziehen und die Verantwortung an afghanische Sicherheitskräfte übergeben. Die Entscheidung darüber soll auf einem Gipfeltreffen im November in Lissabon fallen.

Bei dem Treffen übernächste Woche in Kabul soll ein halbes Jahr nach der großen Afghanistan-Konferenz in London Zwischenbilanz gezogen werden. Fast neun Jahre nach Beginn des Einsatzes ist dies die erste Afghanistan-Konferenz, die in dem Land selbst stattfindet. Westerwelle wertete dies als Beginn einer "neuen Etappe".

Opposition fordert konkreten Abzugsplan

Der Außenminister sagte, dass das Land nicht allein auf militärischem Weg stabilisiert werden könne, sondern nur zusammen mit einer politischen Lösung. Dabei sei Karsai besonders gefordert. "Nur die afghanische Regierung selbst kann Frieden mit denen schließen, die sie bekämpfen."

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler kritisierte, dass die neue Afghanistan-Strategie "keine nachhaltige Verbesserung" gebracht habe. Allein im Juni seien 102 Soldaten getötet worden, so viele wie noch nie seit Beginn des Einsatzes. Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt verlangte ehrliche Auskunft über die Zukunft des Einsatzes. "Legen Sie endlich abgestimmte und konkrete Schritte für einen Abzugsplan vor, oder schweigen Sie lieber." Die Linkspartei forderte erneut den sofortigen Abzug.

Abgeordnete der Regierungsparteien verteidigten das Konzept. Die FDP-Politikerin Elke Hoff sagte: "Wir sind auf einem Weg, der vernünftig ist." Klar sei aber auch, dass weiterhin Geduld erforderlich sei. Der CDU/CSU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff mahnte Präsident Karsai zu einer "nachhaltigen Regierungsführung".

dpa