Gesundheit: Jeder muss wissen, was es kostet
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, harte Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren - diesmal erklärt er, wie eine echte Gesundheitsreform aussehen und wie es mit Krake Paul soweit kommen konnte.
09.07.2010
Die Fragen stellte Frauke Weber

evangelisch.de: Fast schon inflationär sind die Gesundheitsreformen der Bundesregierungen jedweder Couleur. Wird es nie ein Ende nehmen? Oder lässt sich das Gesundheitswesen auch anders gestalten?

Ernst Elitz: Das Spielchen mit den Gesundheitsreformen wird uns alle überleben. Nur leider wird davon keiner gesünder. Wie auch? Bei jeder dieser Operationen versammelt sich ein neues Ärztekollegium am Krankenbett, beratschlagt sich, zankt sich, wirbt in der Öffentlichkeit für unterschiedliche Therapien und schreitet schließlich zur Tat. Dann schnippelt jeder in eine andere Richtung und hofft: Für die nächsten zwei Jahre wird es schon halten. Der geschundene Patient sind wir. Nachdem ich persönlich ein Dutzend Behandlungen dieser Art überstanden habe, empfehle ich ein Rosskur. Erstens: Jeder Versicherte muss wissen, was seine Behandlung kostet, er muss die Rechnung persönlich begleichen und sich hinterher von seiner Kasse erstatten lassen. Das jetzige System erweckt ja den Eindruck, es gäbe alles für lau. Entsprechend sorglos gehen die Versicherten damit um. Zweitens: Die Prävention muss das gleiche Gewicht bekommen wie die Behandlung. Und drittens: Gesundes Leben – regelmässiger Sport, Rauch- und Alkoholverzicht – muss durch individuelle Beitragssenkung honoriert werden. Wer ungesund lebt, sollte höhere Prämien zahlen. Ich weiß, mein erster Vorschlag gilt als unsozial in unserer Bemutterungsgesellschaft, der zweite und dritte werden als unziemlicher Zwang empfunden. D.h. erst muss sich in den Köpfen etwas ändern, dann können wir die Reformitis zu Grabe tragen und ein gesundmachendes kostengünstiges Gesundheitssystem zum Leben erwecken.

evangelisch.de: Deutschland nimmt zwei Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba auf. Was hat Deutschland mit US-Gefangenen zu tun?

Ernst Elitz: Das frage ich mich auch, und trotzdem fallen mir zwei vernünftige Gründe für die Aufnahme der Gefangenen ein. Menschen, denen ohne jedes Rechtsempfinden so übel mitgespielt wurde, verdienen Mitleid und Obdach. Sie brauchen eine Chance für ein neues Leben. Guantanamo gilt ja gemeinhin nicht gerade als Werbeveranstaltung für die Vorzüge westlicher Demokratie. Und wir helfen Obama aus einer politischen Bedrouille, die sein Vorgänger verschuldet hat. Das Kalkül, dass er uns außenpolitisch anderweitig entgegen kommt, ist legitim. Ein Risiko bleibt: Man muss schon ein Übermensch sein, wenn man einige Jahre Guantanamo psychisch unbeschädigt übersteht und nicht irgendwann wieder ausrastet. .

evangelisch.de: Einer der größten Stars während der Fußball-WM war ein Oktopus namens Paul aus Oberhausen. Wieso kann ein solch obskures Tier soviel Aufmerksamkeit auf sich ziehen?

Ernst Elitz: Eine schöne Werbe-Idee für das Sea-Life-Aquarium in Oberhausen. Herzlichen Glückwunsch an den Direktor! Ob nun Mickymouse, der Eisbär Knut, ein Stammtisch in Oberhausen-Mitte oder eine putzige Krake Wettbüro spielt – das Ergebnis ist wie beim Tischerücken. Für das Tier aber war es von Vorteil, denn Paul konnte durch die vorgelegten Speisen der internationalen Küche seinen Geschmack verfeinern. Und auch für mich war die Aktion ein Gewinn. Der Alltag mit einer Krake war mir bisher fremd. Meine letzte Begegnung mit der exotischen Tierwelt hatte ich bei der Lektüre des Romans von Helene Hegemann "Axolotl Roadkill". Paul hat Glück. Er überlebt die Chose. Hegemanns mexikanischer Schwanzlurch dagegen war nicht so vom Schicksal gesegnet. Kein Wunder, die Berliner Partywelt ist ja auch nicht mit Oberhausen zu vergleichen.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.