Gottes grüne Wiese - Feiern unter freiem Himmel
Durch das Blätterdach fällt die Sonne. An den Knöcheln kitzelt das Gras, und würde die versammelte Gemeinde in diesem Augenblick nicht singen, dann könnte man die Vögel zwitschern hören. Draußen und bei schönem Wetter ist Kirche ein ganz besonderes Erlebnis.

Andererseits: Den Vögeln lauschen kann man auch hinterher. Gottesdienste unter freiem Himmel gibt es schließlich nicht jeden Sonntag. Im Kirchengebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sind es mittlerweile aber schon 200 im Jahr. Die Saison geht von Ostern bis Weihnachten. "Das ist bei uns besonders", sagt Pfarrer Matthias Pape, der in der EKHN-Verwaltung arbeitet und für die Internetseite freiluftkirche.de und das dazugehörige Faltblatt verantwortlich ist. "Waldweihnachtsgottesdienste gibt es nur bei uns." Normalerweise geht die Freiluft-Gottesdienst-Saison bis zum Erntedankfest.

Posaunen statt Orgel

Begonnen hat alles 1974. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg veranstaltete ihren ersten Gottesdienst im Grünen, in einer Festungsruine in Reutlingen. Seitdem ist der Gottesdienst im Freien ein Exportartikel. Viele Landeskirchen bieten ihn an. In Bayern sind beispielsweise die "Berggottesdienste" beliebt, am Nebelhorn und im Bayrischen Wald. "Kirche unterwegs" gestaltet Gottesdienste für Urlauber auf Campingplätzen von Lazise am Gardasee bis Oldenburg in Niedersachsen.

"Die Leute finden Gottesdienst im Freien spannend", sagt Matthias Pape. Man dürfe Hunde mitbringen und die Kinder könnten durch die Gegend laufen. Fehlende Kirchenbänke lockern den Ablauf ebenso auf, wie die fehlende Orgel: der Gestaltungsspielraum werde größer. So komme eben der Posaunenchor, und "jeder kann sich seinen Standort selber aussuchen". Setze ich mich auf den Baumstamm oder ins Gras, vielleicht lehne ich mich auch an mein Fahrrad und bleibe im Hintergrund?

Gottesdienste im Freien richten sich natürlich an alle, speziell aber an Spaziergänger, Wanderer, Läufer und Motorradfahrer. An diejenigen also, die oft sowieso einen Ausflug planen. "Viele Leute verbinden dann den Gottesdienst mit ihrem Ausflugsziel", sagt Matthias Pape. Die EKHN hat auf das Faltblatt deshalb auch gleich eine Karte des Kirchengebiets gedruckt: "Dann kann man gleich gucken, wohin sich ein Ausflug anbietet."

Ungezwungen und fröhlich

Den Ausflug kann man meistens schneller antreten als bei einem gewöhnlichen Gottesdienst: 30 bis 45 Minuten dauert die kleine Andacht in der Regel. "Die Atmosphäre ist ungezwungener und fröhlicher", sagt Matthias Pape. Und der Inhalt sei auch einfach mal anders, wie zum Beispiel der Gottesdienst, den Pape in der Nähe von Darmstadt erlebte: "Da hat der Pfarrer zusammen mit dem Leiter des botanischen Gartens über Getreide in der Bibel geredet." Ob Mitten im Wald, auf einer Streuobstwiese am Stadtrand oder auf einem Marktplatz in der Stadt: Ein Dach wird nicht gebraucht, denn es wird gefeiert "unter Gottes Himmel".


Infos über Gottesdienste im Freien: freiluftkirche.de (Hessen und Nassau), kirche-im-gruenen.de (Württemberg), berggottesdienste.de (Bayern), kirche-unterwegs.de (alle Landeskirchen).

Lilith Becker hat die Evangelische Journalistenschule besucht und arbeitet als freie Journalistin in Frankfurt am Main.