"Mein Herz tut so weh": Fans nach WM-Aus traurig
Aus und vorbei: Der Traum vom WM-Finale gegen die Niederlande - es wäre so schön gewesen. Doch wieder einmal stand Spanien der deutschen Mannschaft im Weg.

Trauriges Ende eines Sommermärchens: Es ist vorbei, keine Jubelschreie mehr. Über die Fanmeilen in ganz Deutschland legte sich plötzlich fast gespenstische Stille. Spanien beendete mit 1:0 in Durban abrupt die deutsche WM-Träume im Halbfinale wie vor vier Jahren Italien in Berlin. Nur ganz am Anfang eine kurze Weile jubelten, tanzten und sangen die deutschen Fans: «Fiiiinaaale, ooohooohoo, Fiiiinaaale». Was folgte, war lange Zeit betretenes Schweigen. Keine Gelegenheit mehr zum kollektiven Hüpfen und Händehochreißen.

Die Menschen schlugen die Hände vors Gesicht und verließen schweigend die Stätten, auf der sie vor wenigen Tagen noch so fröhlich gefeiert hatten. Viele weinten nun. Statt dem ersehnten Schlager-Finale gegen Holland am Sonntag bleibt am Samstag (20.30 Uhr) nur der Kampf um Platz drei gegen Uruguay.

Gegen Spanien war lange die Spannung zum Zerreißen und kaum zu ertragen: Nach einem zähen Tag des Wartens auf den späten Anpfiff erlebten Hunderttausende von Fans auf den WM-Meilen in Deutschland ein reines Nervenspiel. Die starken Aktionen der ballsicheren Spanier im Halbfinale von Durban und das Tor von Puyol in der 73. Minute drückten schockartig auf die Stimmung der WM-Partys, auf der sich diesmal einfach kein Schwung ausbreiten konnte.

Paul hatte wieder Recht - leider

Und das Tier-Orakel Krake Paul im Oberhausener Aquarium hatte doch den richtigen Tentakel-Riecher gehabt. Ein Wissenschaftler der Universität Greifswald hatte noch versucht, Entwarnung zu geben: Die Vorhersage des Oberhausener Tintenfischs und Orakels Paul sollte mit äußerster Vorsicht aufgenommen werden, denn Paul folge nur seinem Fresstrieb. Die Krake versteht also nichts von Fußball - oder doch? «Die bescheuerte Krake lag richtig. Calamares für alle», rief ein Gast in einem griechischen Restaurant in Frankfurt.

Die zweite Halbzeit brachte keine Erleichterung, immer Betrieb vorm Tor von Manuel Neuer und blanke Angst vor dem ständig drohenden K.o. bei den Fans. Gespannte Ruhe und Nervosität auch bei der Riesenparty in Berlin. Bittere Enttäuschung breitete sich aus, als Puyol das Tor köpfte. «Das ist wier eine Beerdigung, das ist so traurig, mein Herz tut so weh», sagte Lucia Perschke (35) aus Berlin. Ratlosigkeit und Schmerz im deutschen Lager, gewaltiger Lärm dagegen im spanischen Viertel von Hannover. «Viva España», tönte es durch die Nacht.

Die Fanmeilen platzten wieder aus allen Nähten, so groß war die Erwartung und Vorfreude. In Frankfurt musste vorzeitig wegen Überfüllung geschlossen werden. Auf Deutschlands größter Fanmeile im Berliner Tiergarten drängelten sich wie schon im Achtelfinale gegen England rund 350 000 Menschen. Gut 10.000 deutsche Urlauber waren auf Mallorca vor den Bildschirmen am «Ballermann» und den anderen Party- Tempeln zum Feiern aufgelegt, sahen aber auch schon bald erschrocken die Spanier aufspielen.

Auf dem Weg in die "Vorekstase"

Bei prächtigem Fußballwetter hieß es überall: Die «Hütte» ist voll. Die Vorfreude elektrisierte Millionen Menschen im ganzen Land. Fußball-Fieber überall, fast nur ein Thema, der Tag zog sich hin, im Büro, in den Fabriken. Zuhause, auf den Straßen, in Zügen und Bussen schwebte die Stimmung über Stunden zwischen Bangen und Hoffen.

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Auf den rund 2.000 WM-Partys im Land war kaum noch ein Plätzchen frei geblieben, wie Konferenz-Schaltungen der «Tagesschau» zeigten. Mächtiger Andrang in Köln: «Wir sind auf dem Weg in die Vorekstase», sagte ein Sprecher der Lanxess-Arena. «Die ersten Hardcore-Fans kamen schon um 17.00 Uhr gleich nach dem Aufmachen», sagte die Sprecherin des Hamburger Fanfestes auf dem Heiligengeistfeld, Daniela Scherbring. Nahe der Reeperbahn feierte mitten unter den Fans RTL- «Superstar»-Gewinner Mehrzad Marashi seinen Hochzeitsabend unter weißem Hut und mit Freundin Denisse im Brautkleid.

Schwarz-Rot-Gold wohin das Auge blickt auch in München in vielen Biergärten, auf der Leopoldstraße und im alten Olympiastadion. Und grenzenloser Optimismus: «Wenn Joachim Löw den blauen Pulli anhat, dann gewinnen wir 4:0», meinte die Schülerin Natalie Muhr. Fan Stephan Hilmes wollte es noch genauer wissen: «1:0 Kopfball Klose, 2:0 Schweinsteiger mit einem perfekten Schuss in den Winkel.» Davon war aber auf den Riesenbildschirmen nichts zu sehen.

dpa