Studie: Frauen finden geringere Entlohnung selten ungerecht
Berufstätige Frauen stört es einer Untersuchung der Bielefelder Universität zufolge kaum, dass sie trotz vergleichbarer Ausbildung immer noch rund 20 Prozent weniger verdienen als Männer.

Die Ergebnisse stützen sich auf insgesamt drei repräsentative Bevölkerungsumfragen, die in den Jahren 2008 und 2009 deutschlandweit durchgeführt wurden, teilte die Universität Bielefeld mit. Nach konkreten Gehaltsvorstellungen im Einzelfall gefragt, werde einer Frau ein deutlich geringerer Lohn zugebilligt als einem gleich qualifizierten Mann.

In einer Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin wurden rund 10.000 Erwerbstätige zunächst danach gefragt, ob sie ihr eigenes Erwerbseinkommen als gerecht oder als ungerecht ansehen. Wurde es als ungerecht eingeschätzt, sollten die Befragten einen gerechten Betrag nennen.

Die Ergebnisse zeigen: Das als gerecht eingeschätzte eigene Bruttoeinkommen für Frauen liegt nicht nur unterhalb des tatsächlichen Einkommens der Männer, sondern auch unterhalb des von den Männern für sich selbst als gerecht angesehenen Bruttoeinkommens liegt. Frauen gestehen sich selbst also eine geringere Entlohnung zu als Männer.

Gespaltene Ansichten

In zwei weiteren Umfragen wurden 2008 und 2009 insgesamt 2666 zufällig ausgewählte Personen danach befragt, was aus ihrer Sicht ein gerechtes Einkommen für unterschiedliche Gruppen von Berufstätigen in Deutschland ist. Neben der Bedeutung der Arbeitsleistung, der Ausbildung und der Situation des Unternehmens wurde auch nach der Wichtigkeit des Geschlechts gefragt.

Überraschend: Die überwiegende Mehrheit ist zwar der Meinung, das Geschlecht sollte keine oder nur eine geringe Rolle bei der Festsetzung des Einkommens spielen. Doch bei der Bewertung des Einkommens von beispielhaften Erwerbstätigen wurde bei Frauen ein deutlich geringeres Bruttoeinkommen als "gerecht" angesehen als bei Männern - selbst dann, wenn sie mit ansonsten gleichen Merkmalen wie Ausbildung, Beruf, Arbeitsleistung beschrieben wurden.

So wurde einem 55-jährigen Arzt, der überdurchschnittliche Leistungen am Arbeitsplatz erbringt, Alleinverdiener ist und vier Kinder zu versorgen hat, ein Bruttoeinkommen von 7750 Euro zugestanden, einer Ärztin mit den gleichen Eigenschaften und Lebensumständen dagegen nur 7300 Euro. Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern würden "in weiten Teilen der Bevölkerung als gerecht angesehen", lautet ein Fazit der Studie.

Schuld sind offenbar alte Rollenbilder

Einer der Autoren der Studie, Prof. Stefan Liebig, resümiert: "In einer 'gerechten' Welt, in der jeder das Einkommen erhalten würde, was er für sich als gerechtes ansieht, gäbe es demnach ebenfalls Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, sie wären nur etwas geringer, als sie aktuell existieren." Dazu trügen möglicherweise in der Bevölkerung verankerte Vorstellungen darüber bei, es sei die vornehmliche Aufgabe des Mannes, seine Familie zu versorgen, der Platz der Frauen sei hingegen zunächst im Haushalt. Außerdem neigten die Menschen dazu, sich mit Personen zu vergleichen, die ihnen selbst ähneln. Frauen zögen darum bevorzugt Vergleiche mit anderen Frauen.

Anders ist das offenbar bei Frauen mit erwerbstätigem Partner. Sie haben deutlich höhere Ansprüche an ihr Einkommen, da sie sich mit ihren – in der Regel besser bezahlten – Männern direkt vergleichen, insbesondere, wenn beide im gleichen Beruf tätig sind.

Den Bielefelder Wissenschaftlern zufolge erklärten die Befunde, warum trotz gesetzlich verankerten Diskriminierungsverbots weiterhin Unterschiede im Einkommen zwischen Männern und Frauen existieren. "Es sind demnach nicht nur die Männer, die der Meinung sind, Frauen müssten am Arbeitsplatz weniger verdienen", so die Autoren. "Auch die Frauen selbst haben deutlich niedrigere Erwartungen an ihr Einkommen und formulieren deshalb – etwa bei Gehaltsverhandlungen – geringere Ansprüche." 

epd/thö