Dalai Lama - einfacher Mönch mit Fans auf der ganzen Welt
Als einfacher Mönch möchte der 14. Dalai Lama gesehen werden. Doch Tenzin Gyatso, der am 6. Juli 75 Jahre alt wird, ist alles andere: Er ist das spirituelle Oberhaupt der Tibeter, "seine Heiligkeit" für buddhistische Anhänger weltweit.
05.07.2010
Von Kristin Kupfer

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Der Mann mit den kurzrasierten Haaren, bekleidet meist mit einer schlichten dunkelroten Robe und einer gelben Schärpe, gilt auch vielen Menschen im Westen als charismatisches Idol. Für China hingegen ist er ein "Wolf im Schafspelz" und "Kopf einer separatistischen Clique". Denn als aktiver Diplomat setzt der Dalai Lama sich für die Selbstbestimmung der Tibeter ein.

1989 erhielt er den Friedensnobelpreis. Das US-amerikanische "Time"-Magazin zählte den Dalai Lama zwei Mal zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Er lebt tibetische Tradition und westliche Modernität, schreibt Kommentare über den Kurznachrichtendienst Twitter und hat knapp eine halbe Million Fans auf Facebook - viel weniger als Barack Obama, aber sehr viel mehr als der Papst.

Geboren wurde er am 6. Juli 1935 unter dem Namen Lhamo Thöndup in Taktser in der chinesischen Provinz Qinghai, der einstigen tibetischen Region Amdo. Im Alter von zwei Jahren identifizierte er alle ihm gezeigten Gegenstände des 13. Dalai Lama korrekt und wurde als dessen Wiedergeburt bestimmt. Vier Jahre alt war der Junge, als er auch als weltlicher Herrscher in den Potala-Palast in Lhasa einzog.

Dalai Lama floh nach Indien

Im Oktober 1950 marschierten dann die Truppen der Volksrepublik China in Tibet ein. Aus Sorge vor chinesischen Entführungsversuchen floh der Dalai Lama im März 1959 nach Indien. Seitdem lebt er in der nordindischen Stadt Dharamshala, ebenfalls Sitz der tibetischen Exilregierung.

Seit dem 17. Jahrhundert hatte der Dalai Lama als de facto Vorsteher der sogenannten Gelugpa oder Gelbmützen-Schule des tibetischen Buddhismus über Tibet geherrscht. Die Gelugpa-Schule setzte sich in einem internen Machtkampf gegen andere Lager durch.

Als erster Dalai Lama bereist das amtierende Oberhaupt der Tibeter intensiv die westliche Welt. In seinen Vorträgen setzt er sich für eine weltweite Ethik ein, basierend auf Gewaltfreiheit und interreligiösem Dialog. Er stellt Mitgefühl, Vergebung, Toleranz, Zufriedenheit und Selbstdisziplin als menschliche Grundwerte in das Zentrum seiner Lehre. Er verurteilt Homosexualität, erlaubt Selbstverteidigung und sieht Abtreibung als Akt des Tötens - mit Einzelausnahmen.

Rücktritt im Dezember 2008

"Obwohl es überall Probleme gibt, wird unsere Welt doch besser", sagte er Ende Juni in Japan, "Menschen denken über Frieden, Dialog und Umweltprobleme nach. Sie haben auch erkannt, dass nur materielle Entwicklung nicht glücklich macht. Sie suchen nach inneren Werten und moralischer Ethik."

Im Dezember 2008 hat der 14. Dalai Lama seinen offiziellen Rücktritt als politische Leitfigur erklärt. Entscheidungen über die Zukunft Tibets lägen nun in der Hand des tibetischen Exilparlaments und des Ministerpräsidenten, erklärte er. Vorausgegangen waren Spekulationen über seinen Gesundheitszustand. Im Oktober 2008 hatte er sich in Neu-Delhi einen Gallenstein entfernen lassen.

Von der Vorstellung einer Unabhängigkeit für Tibet hat der Dalai Lama sich im Laufe der 80er und 90er Jahre distanziert. Stattdessen propagiert er einen "mittleren Weg": Gewaltfreiheit und Autonomie, aber keine Unabhängigkeit für alle tibetischen Gebiete innerhalb Chinas. Die Gemeinschaft der Exil-Tibeter hat dies wiederholt hinterfragt. Der Unmut wächst. Neun Verhandlungsrunden mit Peking sind bereits gescheitert.

China lehnt Forderungen ab

Die chinesische Regierung lehnt die territorialen Forderungen des Dalai Lama ab. Dessen Konzept des traditionellen Tibets umfasst neben der chinesischen autonomen Region Tibet auch Teile der Provinzen Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan, insgesamt ein Drittel des chinesischen Staatsgebiets.

Wiederholt hat sich der Dalai Lama besorgt über die jüngsten politischen Kampagnen und Repressionen gegen die tibetische Bevölkerung - besonders im religiösen Bereich - geäußert. "Die chinesischen Behörden lassen Mönche und Nonnen in gefängnisähnlichen Zuständen leben", sagt er während seiner Ansprache zum 51. Jahrestag des Aufstand der Tibeter am 10. März 2010. "Die Klöster werden zu Museen." Es werde auf eine "Abschaffung des Buddhismus" gezielt.

Doch er zeigt sich optimistisch, dass eine Aussöhnung mit China noch zu seinen Lebzeiten möglich ist. "Es gibt mehr und mehr divergierende Stimmen unter den Menschen dort", sagte er dem "Time"-Magazin, "die Dinge werden sich ändern - es ist vorherbestimmt."

epd