Thies Gundlach wird theologischer Vizepräsident
Seine Rolle im EKD-Kirchenamt in Hannover skizziert Thies Gundlach gern mit Bildern aus der Fußballwelt. Mittelfeldspieler müssten viel laufen, Angriff und Verteidigung spielen, die Abseitsfalle beherrschen, Eigentore vermeiden, vor allem aber Vorlagen für die Leute im Sturm liefern. Dies gelinge unterschiedlich gut und mache unterschiedlich Spaß, meint der 54-jährige Oberkirchenrat über das Resultat seines Rackerns.
05.07.2010
Von Rainer Clos

Den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) konnte er mit seinen Qualitäten offensichtlich überzeugen. Das Leitungsgremium der knapp 25 Millionen Protestanten berief Gundlach, bisher Abteilungsleiter für "Kirchliche Handlungsfelder", zu einem der theologischen Vizepräsidenten der EKD-Zentrale. Die Entscheidung ist Teil eines personellen Revirements im Kirchenamt, das am 1. Dezember wirksam wird.

Dann rückt der Jurist Hans Ulrich Anke (41), bisher juristischer Vizepräsident und Leiter der Hauptabteilung Recht und Finanzen, zum Kirchenamtspräsidenten auf. Auf diesem Posten löst Anke den EKD-Cheftheologen Hermann Barth (64) ab, der seit 2006 das Kirchenamt leitet und in Ruhestand geht.

In der neuen Konstellation wird Gundlach neben eher exotischen Themen wie der Circusseelsorge für das "theologische Kerngeschäft" zuständig sein. Es spannt sich über Bibel, Gesangbuch, Kirchenmusik und Catholicafragen bis hin zu aktuellen theologischen Grundfragen, von der Reform kirchlicher Arbeit bis zur Bedeutung der Reformation heute.

Maßgeblicher Kopf des Reformprozesses

Gundlach, seit 2001 im Kirchenamt, ist nordelbischer Pastor. Nach dem Theologiestudium arbeitete er in der Hamburger Citykirche St. Katharinen. Mit seiner Frau, Birgitta Heubach-Gundlach, ging er danach in Hamburg-Harvestehude neue Wege, um Kirchendistanzierte zu erreichen: Literaturgottesdienste zu Krimis gehörten dazu ebenso wie Gottesdienste, bei denen Hollywood-Filme Thema waren. Aber auch der "normale" Sonntagsgottesdienst wurde zum Mittelpunkt für eine wachsende Gemeinde.

Der in Lübeck geborene Theologe gehört zu den maßgeblichen Köpfen des Reformprozesses "Kirche im Aufbruch", mit dem die evangelische Kirche ihr Profil und ihre Attraktivität verbessern will. Beharrlich wirbt er in Pfarrkonventen und Landessynoden für das kühne Konzept, das rückläufigen Mitgliederzahlen und sinkender Finanzkraft begegnen will.

Dabei sieht sich der hoch gewachsene Hanseat mitunter heftigem Gegenwind ausgesetzt, vor dem er allerdings nicht weicht. Mit seinem Werben für ein durch theologische Substanz überzeugendes Markenzeichen "evangelisch" macht Gundlach sich in der Pfarrerschaft keineswegs nur beliebt. Wenn Tabus ausgesprochen und Schwachstellen aufgedeckt werden, gibt es dafür nicht nur Beifall.

Drei Zentren haben Arbeit aufgenommen

Spätestens seit der EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel 2009, bei der sich eine Fülle von Reformprojekten aus Landeskirchen und Kirchengemeinden vorstellte, sind die Korridore der "Kirche im Aufbruch" sichtbar. Drei Zentren - Gottesdienstqualität, Predigtkultur und Mission in der Region - haben die Arbeit aufgenommen.

Zu den künftigen Aufgaben Gundlachs wird auch gehören, dafür zu sorgen, dass die auf den 500. Jahrestag der Reformation 2017 hinführende Lutherdekade mit den Reformbemühungen verzahnt bleibt und sich nicht zu einer Kette isolierter Events verselbständigt. Dazu bedarf es auch der Klärung, welchen Charakter das Reformationsjubiläum haben soll: unkritische Jubelfeier oder protestantische Selbstvergewisserung oder ökumenisches Fest.

Für evangelisch-katholische Irritationen hatte im vergangenen Herbst ein internes Papier aus der Feder Gundlachs mit kritischen Äußerungen zum Zustand der katholischen Kirche gesorgt. Mit einer Entschuldigung und einem Klärungsgespräch auf höchster Ebene wurde die ökumenische Verstimmung ausgeräumt.

epd