Honigbienen in der Oase: Überbleibsel der grünen Sahara
10.000 Jahre Einsamkeit haben den Honigbienen von Kufra nicht geschadet. Die Bienenpopulation dieser libyschen Oase ist ein Überbleibsel aus den Tagen, als die Sahara noch grün war. In der Isolation konnten die Bienen prächtig gedeihen.
02.07.2010
Von Anne-Beatrice Clasmann

In einer entlegenen nordafrikanischen Oase hat ein libysch-deutsches Forscherteam eine bislang unbekannte Biene entdeckt. Das Besondere an dieser bislang noch namenlosen Verwandten der Sahara-Honigbiene (Apis mellifera sahariensis) ist weder ihr Äußeres, noch die Qualität ihres Honigs, sondern ihre Herkunft. Denn die wilde Biene stammt, das beweist jetzt eine Untersuchung ihres Erbgutes, aus der Zeit vor mehr als 10.000 Jahren, als die Sahara noch keine unwirtliche Wüste war, sondern eine grüne Steppe, in der Giraffen und andere Säugetiere lebten.

"Von den großen Säugetieren, die einst in dem Gebiet lebten, ist keines übriggeblieben, und welche anderen Insekten in den Oasen überlebt haben, das weiß bisher niemand so genau", sagt Robin Moritz, Zoologie-Professor an der Martin-Luther-Universität in Halle. Er hat die libyschen Bienen gemeinsam mit dem Libyer Taher Schaibi von der Al-Fateh-Universität in Tripolis untersucht. Die beiden Forscher stellten fest, dass die Bienen von Kufra, die sich, als die grüne Steppe allmählich zur Wüste wurde, in die Oase zurückgezogen hatten, in den vergangenen Jahrtausenden völlig isoliert gelebt haben. Denn Kufra liegt im Südosten von Libyen, mehr als 800 Kilometer von den Städten im fruchtbaren Küstenstreifen am Mittelmeer entfernt. Die unerbittliche Wüste, durch die heute fast nur noch die modernen Karawanen der Menschenschmuggler ziehen, bildet eine natürliche Barriere für Insekten und andere wildlebende Tiere, die auf Pflanzen angewiesen sind.

"Die Oase ist gerade groß genug, um genügend Lebensraum für wilde Bienen zu bieten", erklärt Moritz. Denn wenn es zu eng wird, kommt es bei Bienen zu Inzucht, was erst zu sogenannten Brutausfällen führt und langfristig das Ende der wilden Bienenpopulation in einem begrenzten Gebiet besiegeln kann. Deshalb können beispielsweise auf den deutschen Nordseeinseln nur Zuchtbienen leben. In der Oase Kufra, die 48 Kilometer lang und 19 Kilometer breit ist, jedoch wilde.

Isolation bewahrte vor Parasiten

Ihre Isolation hat die Bienen von Kufra auch vor einem Parasiten bewahrt, der ihre Artgenossinnen in Europa und Nordafrika in großer Zahl befallen hat. Die Milbe mit dem furchterregenden Namen Varroa destructor ist nach Kufra bislang noch nicht vorgedrungen. Die neu entdeckte Biene ist laut Moritz die bisher einzige bekannte Unterart, die Varroa-frei ist. Dies kann, neben der DNA-Analyse, als weiteres Indiz dafür gelten, dass über mehrere Jahrtausende niemand auf die Idee gekommen ist, "fremde" Bienen aus anderen Regionen in diese Oase zu bringen. Die Imker von Kufra haben sich bislang damit begnügt, Kästen aufzustellen, um den Honig der einheimischen wilden Bienen zu sammeln.

Dass das Interesse an den Ergebnissen ihrer Forschung auch außerhalb der Fachwelt auf Interesse stößt, führen die Wissenschaftler darauf zurück, dass die Biene trotz ihres Stachels ein Sympathieträger ist. "Mein Kollege Taher al-Schaibi hatte ursprünglich eine Forschung zur Wüstenassel geplant, da wäre die Resonanz vermutlich geringer gewesen", sagt Moritz, der sich schon seit Jahrzehnten mit der Apis mellifera beschäftigt. Er findet die Resultate der Bienenforschung in Kufra auch unter Artenschutz- Gesichtspunkten interessant. Wie es um die Zukunft der Bienen und anderer Tiere in Kufra bestellt ist, weiß jedoch zur Stunde niemand. Denn in den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann man, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern, im Kufra-Becken fossile Grundwasservorkommen anzuzapfen, die sich nicht erneuern. In der Folge sank der Grundwasserspiegel in der Oase stark ab.

dpa