Wenn Tier und Mensch sich schon denselben Namen teilen, dann doch bitteschön auch ein paar Eigenschaften. Hund und Herrchen sollen sich ja laut Volksmund im Laufe der Jahre auch immer ähnlicher werden, wobei stets unklar bleibt, wer sich eher wem annähert.
Stets lächelnd, eine Brille auf der Nase, das Haar schütter und eine rotes Gewand mit gelber Schärpe: so kennt man den Dalai Lama. Und das Lama? 9 Uhr im Frankfurter Zoo. Die Sonne brennt und mehrere Schulklassen rennen bereits über das elf Hektar große Gelände. Schilder weisen den Weg zu Pinguinen und Affen. Aber wo geht es zu den Lamas? Die erste Enttäuschung: Echte Lamas gibt es im Frankfurter Zoo nicht. Aber immerhin ein paar Verwandte, die zur Gattung der Lamas gehören.
Ziemlich schamlos
Ähnlichkeiten zum Dalai Lama lassen sich auf den ersten Blick aber nicht feststellen. Die Vikunjas – lat.: lama vicugna – im Frankfurter Zoo sind etwa zwei Meter groß, reichlich behaart (blond!) und gucken eher neugierig bis planlos in der Gegend herum. Selbst mit großem Bemühen lässt sich ihnen kein Lama-Lächeln entlocken. Stattdessen schreiten sie gemütlich durch ihre Zooanlage und ignorieren die Besucher soweit es geht. Das gilt auch umgekehrt: Keine Menschenmassen beim Lama, die Pilgerzüge bewegen sich eher Richtung Pinguine. Schamlos erledigt ein Vikunja sein Geschäft mitten im Gehege, anstatt sich hinter einem Busch zu verstecken. Derlei Ungehörigkeiten sind wir vom stets höflichen Dalai Lama nicht gewöhnt.
Peinlich berührt geht es weiter zu den Alpakas - lat.: lama guanicoe f. pacos. Immerhin zeigt sich der dort vorhandene Nachwuchs ein wenig agiler als die Artverwandten vom Nachbargehege. Er präsentiert eine Art Bockspringen, das aber auch nur mit viel Fantasie an Bewegungen der angeblich tibetischen Kampfsportart Tescao erinnert, die wiederum auch in Spezialeinheiten des russischen Militärs zum Einsatz kommen soll. Statt blond ist das Alpaka eher braun behaart. Aber da: ein Junges hat graues Fell und ist sozusagen im Haaransatz ganz "Dalai Lama". Wir kommen der Sache also näher!
Ein "großes Herz"
Um noch ein paar weitere Gemeinsamkeiten zwischen Dalai Lama und Lama festzustellen, muss man allerdings noch tiefer in die tierische Materie eintauchen. Dabei hilft Caroline Liefke vom Frankfurter Zoo, die ziemlich viel Spezialwissen hat – Vergleiche zwischen Dalai Lama und Lama persönlich aber nicht ziehen will.
[linkbox:nid=20021;title=Fotogalerie]
Dennoch: Dalai Lama wie auch Lama vicugna stammen aus Höhenregionen (Tibet hier und Anden dort) erfahren wir. Und: Sie haben ein "großes Herz", wobei das im letzteren Fall sehr wörtlich zu nehmen ist. Das Herz des Vikunja ist etwa 50 Prozent größer als das Herz vergleichbarer Säugetiere, was das Leben in 5.000 Metern Höhe ebenso erleichtert wie die besondere Form und Zahl der roten Blutzellen, die den in den Anden gelegentlich etwas knappen Sauerstoff durch den Körper transportiere
Ein Leben in Askese
Weitere Parallele: Ein asketisches Leben. "Die Vikunjas und die Alpakas sind strenge Vegetarier", sagt Tierpfleger Volker Kramer. Trockenes Brot, Obst und Gemüse und etwas Gras: mehr gibt es nicht. Wesentliche Unterschiede zwischen dem Speiseplan des Dalai Lamas und der Zoo-Lamas lassen sich also nach allem, was man so hört, nicht ausmachen. Lediglich in der Art der Zubereitung und der Präsentation der Speisen dürfte es Unterschiede geben. Schaut man in den Futtereimer der Alpakas stellt man fest: Das Auge isst hier sicher nicht mit.
Den Vikunjas könnte man zudem noch so etwas wie ein Klosterleben unterstellen, zumindest bilden junge Männchen in der Regel Junggesellenverbände und machen dort so etwas wie einen Selbstfindungsprozess durch: Mittägliche Meditationen – wenn möglich im Schatten - inbegriffen.
Wie läuft das Merchandising?
Und wie verhält sich das Lama eigentlich so zu Feinden oder Bewohnern angrenzender Territorien? "Das Vikunja ist ein Fluchttier", sagte Caroline Lietke und offenbart etwas unfreiwillig eine weitere tierisch-menschliche Lama-Parallele. Auch mit den Kamelen vom Nachbargehege verstehen sie sich nicht ganz so prächtig, was aber allein schon daran liegt, dass Kamele aus Afrika und die Lamas aus Südamerika stammen und sich von daher fremd sind.
Nachdem sich insgesamt aber doch einige Parallelen zwischen Dalai-Lama und Lama aufgetan haben, dürfte eigentlich auch das Lama-Merchandising im Zoo bestens laufen. Der Lächler aus Tibet jedenfalls ist mit Büchern und Postkarten ganz gut im Geschäft. "Haben Sie Lama-Postkarten", lautet daher die Frage am Souvenir-Shop. "Nein", sagt der Verkäufer, der nach eigenen Angaben schon seit 1948 im Zoo beschäftigt ist. "Vielleicht Lama-Stofftiere?" Nein, die gebe es auch nicht, antwortet der Mann. Ganz früher habe es mal eine Postkarte gegeben. "Die haben viele angefasst, aber keine hat sie gekauft."
Eine letzte Gemeinsamkeit also beim Zoobesuch: Einmal Lama anfassen, das wünschen sich viele. Mehr aber auch nicht!
PS:
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und schreibt normalerweise über Medien. Der Zoobesuch mit der Fotografin Anika Kempf war aber eine unterhaltsame Abwechslung.