"Die Abrechnung", 7. Juli, 22.25 Uhr auf 3sat
Laut Legende sind es ja Männer, die sich mit einem dahingemurmelten „Ich geh’ mal Zigaretten holen“ für immer verabschieden. In dieser Geschichte von Peter Zingler ist es eine junge Frau, und sie wäre gern zurückgekehrt; doch als sie in regennasser Nacht von einem Sportwagen erfasst wird, muss ihr untröstlicher Vater akzeptieren, dass das Wiedersehen mit der von der Mutter großgezogenen Tochter nur von kurzer Dauer war. Seine Trauer weicht unbändiger Wut, als ihm klar wird, dass sich der Lenker des Unfallwagens aus dem Staub gemacht hat. Dabei hätte er kaum was zu befürchten: Die Frau hat die Straße bei Rot überquert. Doch dem Fahrer wäre jedes Aufsehen unangenehm: Der Mann gehört zur besten Hamburger Gesellschaft; er kam gerade vom Rendezvous mit seiner jungen Geliebten, und vermutlich hätte seine Frau zu gern gewusst, was er mitten in der Nacht in einem völlig fremden Stadtteil zu suchen hatte. Also versenkt er das Auto in einem Baggersee. Allerdings hat er nicht mit dem biblischen Zorn des Vaters gerechnet, denn der ist Kriminalreporter: Robert Kurzeck schwört am Sarg seiner Tochter, nicht eher zu ruhen, bis er den Täter zu Strecke gebracht hat.
Eigentlich eine einfache Geschichte, die im Bemühen um Tiefgang und Komplexität die Glaubwürdigkeit mitunter arg strapaziert; einige Handlungswendungen sind recht ungereimt, zumal die Beteiligten wie auf der Theaterbühne weit von einander entfernt liegende Handlungsorte mit einem Wimpernschlag überbrücken. Trotzdem fesselt der Film, weil Kurzeck, von Florian Martens mit wütender Intensität verkörpert, in all seiner Besessenheit eine faszinierende Figur ist. Den hartgesottenen Boulevardreporter, ein „Witwenschüttler“, wie er im Buche steht, nimmt man ihm jederzeit ab. Das gilt auch für seine Obsession, schließlich braucht er für die verpuffende Freude über die Rückkehr der Tochter in sein Leben nun ein Ventil. Dass Kurzeck bei den Ermittlungen erfolgreicher ist als seine Informanten bei der Polizei, mag den Glauben in die Exekutive erschüttern, unterstreicht aber nur seine Obsession.
Weniger überzeugend ist Autor Zingler und Regisseur Thorsten Näter der Gegenspieler gelungen: Karl-Heinz Haeßler (Oliver Stokowski) hat nicht bloß Eheprobleme und eine Affäre mit einer zu allem Überfluss auch noch schwangeren früheren Studentin, sein Sohn liegt auch noch sterbenskrank im Krankenhaus, wo er auf eine Spenderniere wartet; und die bekommt er, noch so eine „Laune des Schicksals“, ausgerechnet von der überfahrenen Frau.
Endgültig unrealistisch wird die Geschichte, als Kurzeck sein Boulevardblatt missbraucht, um einen Fahndungsaufruf zu lancieren. Die Fotomontage zeigt Haeßler, immerhin hanseatischer Geldadel, als Kopf einer Autoschieberbande: Das ist selbst bei einer Zeitung dieses Zuschnitts ziemlich weit hergeholt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).