TV-Tipp des Tages: "Tatort: Operation Hiob" (ARD)
"Operation Hiob" beginnt mit einem einem Mord, entwickelt sich aber in ein anderes Genre: Sonderermittler Moritz Eisner gerät in einen Bandenkrieg zwischen verschiedenen Wiener Syndikaten.
02.07.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Operation Hiob", 4. Juli, 20.15 Uhr im Ersten

Deutsche Sonntagskrimis funktionieren in der Regel nach dem immergleichen Schema: Am Anfang gibt es einen Mord, die Ermittler vergeuden ihre Zeit mit falschen Fährten, und am Ende war der vom prominenten Gastdarsteller verkörperte Verdächtige nicht der Täter; manchmal aber doch. "Operation Hiob", ein "Tatort" aus Österreich, beginnt zwar auch mit Mord, entwickelt sich dann aber in ein ganz anderes Genre: Sonderermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) gerät mitten in einen Bandenkrieg zwischen verschiedenen Wiener Syndikaten. Es geht um die Vorherrschaft über das Drogengeschäft, Menschenleben zählen da wenig. Gleich zum Auftakt dezimieren die Herausforderer das Gefolge des Paten aus dem Kosovo mit Hilfe eines raffinierten Tricks. Die Polizei observiert die Geschäfte des Albaners schon seit drei Jahren, man hat erfolgreich einen verdeckten Ermittler eingeschleust und wartet nur noch auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen.

Geschickt variiert Autor Max Gruber immer wieder seine Erzählweise: Mal orientiert er sich am Gangsterfilm, dann bringt er die Handlung fast zum Stillstand und wechselt in eine individuelle Perspektive. Diese Sprünge verdeutlichen sehr schön den Kontrast zwischen alter und neuer Welt: hier die skrupellosen Gangster, die von der Polizei mit Hilfe modernster Überwachungsmethoden bekämpft werden, dort die altmodische Ermittlungsarbeit, die aber zu überraschendem Erfolg führt. Personifiziert wird diese zweite Ebene von Eisners Kollegen Weiler (Heribert Sasse), einem Inspektor der alten Schule, der kurz vor der Pensionierung steht. Richtig spannend wird die Geschichte jedoch erst, als Eisner plötzlich persönlich betroffen ist: Weil das Hauptquartier des Mafia-Paten verwanzt ist, weiß er, dass die Gangster seine Tochter Claudia (Sarah Tkotsch) im Visier haben; und die ist plötzlich verschwunden.

Regie führt Nikolas Leytner, was zunächst verblüfft. Der Österreicher gilt als Experte für Anspruchsvolles („Der Besuch der alten Dame“) und wurde zuletzt für sein Drama "Ein halbes Leben" mit dem Deutschen Fernsehpreis wie auch dem Adolf Grimme Preis ausgezeichnet. Leytner, ohnehin kein Regisseur für vordergründige Spannung, inszeniert diesen "Tatort" mitunter beinahe kunstvoll. Gerade die langen Einstellungen, in denen die Bewegungen der Kamera den Schnitt ersetzen, sind großes Handwerk. Für inhaltliche Originalität sorgen diverse Details, etwa die Idee, einen kompletten Mülllaster nach Zigarettenkippen der Mörder zu durchsuchen. Der weitgehend mit hierzulande kaum bekannten Darstellern besetzte Film hat nur ein Manko: Der Dialekt ist außerhalb Österreichs mitunter einfach nicht zu verstehen. Der Handlung kann man zwar trotzdem folgen, aber viele von Grubers liebevollen kleinen Gemeinheiten bleiben auf diese Weise auf der Strecke.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).