"Glück auf vier Rädern", 3. Juli, 20.15 Uhr im WDR Fernsehen
Nach langer Pause hat Franz Seitz vor einigen Jahren kurz vor seinem Tod noch mal einen Film geschrieben und produziert. Es ist ein ebenso schlichtes wie schönes Werk geworden. Seitz gehörte zu den rührigsten deutschen Produzenten überhaupt. Er hat den deutschen Nachkriegsfilm geprägt wie kaum ein anderer.
Kriegsfilm („Die grünen Teufel vom Monte Cassino“, 1958), Heimatfilm („An der Donau, wenn der Wein blüht“), Paukerfilm („Hurra, die Schule brennt“): Die Seitz Filmproduktion hat alle Genres bedient. Als Autor und Produzent war er allerdings auch maßgeblich an ambitionierten Romanadaptionen wie „Die Blechtrommel“ oder „Der Zauberberg“ beteiligt. Zuletzt ist er viele Jahre weder in der einen noch in der anderen Rolle in Erscheinung getreten, bis er vor fünf Jahren die nach eigenem Drehbuch entstandene Familienkomödie „Glück auf vier Rädern“ produzierte (Regie: Dagmar Knöpfel, Koautorin: Gabriele Terofal). Der episodisch gestaltete Film erzählt auf im besten Sinne altmodische Art die Geschichte eines Professors für Psychologie (Peter Weck), der nach ausgefüllten Lehrjahren in den Ruhestand wechselt.
Allzu viel Muße bleibt Friedrich Sibelius allerdings nicht: Ehefrau Anna (Heidelinde Weis) hat sein Leben bereits detailliert durchgeplant. Außerdem schickt sie ihn zurück in die Schule: Auf dem Programm stehen unter anderem Fahrstunden. Natürlich konnte Anna nicht ahnen, dass der holde Gatte vor allem auf die attraktive Fahrlehrerin (Claudia Messner) abfahren würde. Auch sonst hält das Leben diverse Turbulenzen bereit: Sibelius übernimmt in einem Doku-Drama der Freundin seines Sohnes (Pierre Besson) die Rolle des C.G. Jung, muss feststellen, dass er mehr Enkel hat als bislang gedacht und unterzieht seine Ehe einer empfindlichen Belastungsprobe.
Der Film ist voll und ganz auf Peter Weck zugeschnitten, der in der Rolle des rüstigen Rentners regelrecht aufblüht. Kein Wunder: Schwerenöter Sibelius darf derart viel Charme versprühen, dass die reife Damenwelt nur so dahinschmilzt. Gleichzeitig ist er ein Opa wie aus dem Bilderbuch, der stets Zeit für die Enkel hat. Ohnehin entwirft die Geschichte das Ideal eines großbürgerlichen Heims, wie es kaum noch existieren dürfte: Kein Fernsehgerät verunziert das geräumige Wohnzimmer; statt dessen trifft sich die Großfamilie zum gemeinsamen Kartenspiel oder zur Hausmusik. Die Kinder sind stets adrett und wohlfrisiert. Und sollte doch mal jemand über die Stränge schlagen, ist ein veritabler Weihbischof (Lambert Hamel) als Freund der Familie mit der Absolution zur Hand.
Natürlich wäre es ein leichtes, „Glück auf Rädern“ als Fernsehen von gestern abzutun, zumal die vielen Innenaufnahmen nahe legen, dass Seitz kein üppiges Budget zur Verfügung stand. Die Erzählweise des Films ist jedoch derart sympathisch, dass man den etwas plötzlichen Schluss richtig schade findet.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).