Evangelische Kirche wirbt für demokratische Streitkultur
Einen Tag nach dem Abstimmungsmarathon zur Bundespräsidenten-Wahl hat sich der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, für eine demokratische Streitkultur ausgesprochen.

Im Parlament als dem "Kraftzentrum" der Demokratie müssten Positionen immer wieder den Nachweis ihrer Überzeugungskraft erbringen und sich den "Argumenten anderer ausliefern", sagte Schneider beim traditionellen Johannisempfang der EKD am Donnerstagabend in Berlin in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie zahlreicher weiterer Spitzenpolitiker. Diese Prinzipien der Demokratie müssten gelebt und eingefordert werden.

Wenn grundlegende Veränderungen anstünden, seien Politiker gut beraten zu prüfen, ob sie die Kräfte für das Wagnis hätten, und den richtigen Zeitpunkt dafür zu wählen, empfahl der rheinische Präses Schneider in Anlehnung an ein Zitat des badischen Theologen Johann Peter Hebel (1760-1826). Die aktuellen Herausforderungen seien einschüchternd. "Ohne ein festes Herz, ohne Mut, ja ohne Wagnis geht gar nichts", betonte der Ratsvorsitzende in seiner Ansprache. Dafür würden Menschen mit Umsicht und Sinn für Verantwortung gebraucht.

Gast des Empfangs war auch der unterlegene Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck. Der evangelische Theologe wurde bei der Begrüßung durch den EKD-Bevollmächtigten beim Bund, Bernhard Felmberg, mit starkem Applaus bedacht. Felmberg grüßte in Abwesenheit auch den neuen Bundespräsidenten Christian Wulff und wünschte im Gottes Segen für das Amt. Als weitere Verteter der Bundesregierung neben Merkel waren unter anderem Bildungsministerin Annette Schavan und Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU) der EKD-Einladung gefolgt. Zudem waren SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der Vorsitzende der Unions-Fraktion, Volker Kauder (CDU), zu dem Festakt gekommen, ebenso die Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne), die als Präses dem EKD-Kirchenparlament, der Synode vorsteht.

Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider hob die Bedeutung einer lernenden Gesellschaft hervor. Sie funktioniere nicht in hierarchisch geordneten Prozessen, sondern in Gleichberechtigung aller, die am Austausch beteiligt seien. Es gehe darum, eigene Erfahrungen zu machen und von vorangegangenen Generationen zu lernen.

epd