Bei den koalitionsinternen Verhandlungen über die Gesundheitsreform hat die CDU laut einem Zeitungsbericht einen Kompromissvorschlag unterbreitet. Er sehe vor, die Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Einkommen der Versicherten zu staffeln, berichtet die "Frankfurter Rundschau". Bis zu einem Bruttoeinkommen von 1.400 Euro monatlich solle der maximal mögliche Zusatzbeitrag weiterhin bei einem Prozent des Einkommens liegen. Bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze von 3.750 Euro solle der Satz dann schrittweise auf 2,5 Prozent steigen. Für Gutverdiener stiege die Belastung laut Zeitung damit von bisher höchstens 37,50 Euro auf 93,57 Euro.
Die FDP winkte beim Kompromissmodell gestaffelter Zusatzbeiträge ab. "Falls es das Modell ist, das die CDU vor drei Wochen in die Beratungen eingebracht hat, dann spielt es keine Rolle mehr. Zusammen mit der Union haben wir erkannt, dass es unsere Probleme nicht löst", sagte FDP-Fraktionsvizechefin Ulrike Flach der Zeitung "Die Welt". Auch aus der Union selbst kamen ablehnende Signale.
SPD nennt Vorschlag ein "Armutszeugnis"
Der CDU-Vorschlag ist bei der SPD auf scharfe Kritik gestoßen. Das Modell belaste ausschließlich mittlere Einkommen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Die Vorsitzende des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Carola Reimann (SPD), sprach von einem "Armutszeugnis".
Lauterbach sprach von einem "reinen Verzweiflungsvorschlag". Durch ihn würden "gerade mittlere Einkommen zu Melkkühen gemacht". Er kritisierte: "Statt Steuersenkung bekommen diese Einkommensgruppen eine Beitragserhöhung von bis zu über 90 Euro im Monat." Für Geringverdiener und Besserverdiener über der Beitragsbemessungsgrenze ändere sich dagegen nichts. "Wenn die Union das durchwinkt, ist das eine beispiellose Wählertäuschung. Das grenzt an politischen Selbstmord."
Reimann sagte der dpa, mit diesem Konzept sollten die Versicherten das Defizit "ganz alleine zahlen. Das ist keine Solidarität. Und es ist bürokratischer Wahnsinn, weil jeder sein Einkommen nachweisen muss." Letztlich sei es ein Programm für die Privatkassen, weil Gutverdiener aus der gesetzlichen Krankenversicherung abwandern dürften. "Der GKV droht großer Schaden." Auch eine gestaffelte Kopfpauschale habe "mit Sozialausgleich nichts zu tun".
DGB forderte paritätische Finanzierung
Die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) eingesetzte Reformkommission für das Gesundheitswesen will die Arbeitgeber zur Stabilisierung des defizitären Gesundheitssystems heranziehen. Die Rückkehr zur vollen Beitragsparität sei nötig, um das drohende Rekorddefizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) "in einem solidarischen Kraftakt" zu decken und einseitige Mehrbelastungen der Versicherten zu beenden, heißt es in einer Erklärung der Kommission an die Adresse der Regierungskoalition.
Deren Spitzen beraten an diesem Donnerstag über das immer noch ausstehende Reformkonzept zur Stabilisierung der Kassenfinanzen. Aus Sicht der DGB-Reformkommission, die sich als Alternativgremium zur schwarz-gelben Gesundheitskommission sieht, muss die "politisch veranlasste Unterfinanzierung der GKV durch den Gesundheitsfonds" aufgehoben werden.
Nach derzeitiger Regelung wird bei wachsendem Finanzbedarf der Krankenkassen der paritätisch finanzierte Beitragssatz von derzeit einheitlich 14 Prozent erst dann angehoben, wenn die Ausgaben zwei Jahre lang nur noch zu 95 Prozent durch den Gesundheitsfonds gedeckt sind.
Die GKV-Ausgaben sollten aber "zu 100 Prozent solidarisch ausfinanziert" werden. Dies will die DGB-Kommission dadurch erreichen, dass die volle paritätische Beitragsgestaltung in der GKV wieder hergestellt wird. "Die Arbeitgeber leisten zukünftig wieder den gleichen Beitrag wie die GKV-Mitglieder, die schon seit 2005 0,9 Prozentpunkte mehr zahlen als die Arbeitgeber."
Die von der Koalition ins Auge gefasste "weitere einseitige Belastung der Versicherten" lehnt die Kommission strikt ab. "Die finanziellen Lasten müssen solidarisch getragen werden."