Für die Linke blieb Gauck der böse Feind von früher
Keine schwere Wahl war das. Aber doch eine langwierige und eine mit Überraschungen. Wer hätte gedacht, dass der erste und der zweite Wahlgang mit deutlich weniger Stimmen als erwartet für Wulff ein doch deutliches Watschen-Resultat in Richtung Angela Merkel und Guido Westerwelle liefern würde?
30.06.2010
Von Arnd Brummer

Da schien es für einen Moment doch noch einmal offen, wer dem glücklosen, aber integren, beliebten, aber ungeschickten Horst Köhler im höchsten Staatsamt folgen würde. Christian Wulff oder tatsächlich doch Joachim Gauck? Ein bewährter Landespolitiker, Katholik, geschieden, liberal-konservativ auf der einen, eine Galionsfigur der Beseitigung des SED-Staatsunwesens und evangelischer Pfarrer auf der anderen Seite. Nun heißt der nächste Bundespräsident also Christian Wulff. Keine Überraschung. Schließlich hatte das schwarz-gelbe Regierungslager eine letztlich ausreichende Mehrheit, selbst wenn auch im dritten Wahlakt mehr als nur "einige" Wahlmänner und –frauen vorzugsweise aus der FDP für Gauck gestimmt haben.

Der wertvollste Erkenntnisgewinn dieser Wahl ist aber ein anderer. Niemand kann mehr behaupten, er wisse nichts über die politische Kultur in der Partei von gestern, der sogenannten Linken. Es konnte und durfte für die Linke nicht sein, Joachim Gauck zu wählen. Lieber enthielten sich mehr als 120 ihrer Leute im dritten Urnengang. Gauck ist und bleibt für viele DDR-Nostalgiker in der Partei – und keineswegs nur aus dem PDS-Teil derselben – das Sinnbild des bösen Feindes; "ein Hexenjäger", wie der Linken-Politiker Dieter Dehm ihn abzuqualifizieren versuchte. In der Diktion von Demokraten heißt das: ein Freund der Freiheit, ein Bürgerrechtler, ein Kämpfer gegen die Verharmlosung des Unrechtsstaates DDR.

Der Pastor aus Rostock, dessen eigener Vater zu den Opfern des Stalinismus zählte, war an der friedlichen Revolution in der DDR vor 21 Jahren persönlich beteiligt, predigte gegen den Unrechtsstaat, demonstrierte, agierte als Abgeordneter in der einzigen demokratisch gewählten Volkskammer für Bündnis90, ehe er die mit seinem Namen verbundene Behörde zur Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen leitete. Dass die Linke, bis auf den geläuterten Ex-IM André Brie, geradezu mit Schaum vor dem Mund gegen Gauck eiferte, andererseits aber bis weit ins schwarz-gelbe Lager hinein der SPD-/Grünen-Kandidat als wählbar erschien, muss den Sozialdemokraten und Grünen in diesem Land endlich klar gemacht haben, welch Potential an politischer Rückständigkeit und antidemokratischem Bewusstsein in der Linken steckt.

Der echte Zorn, die ehrliche Wut nach der massenhaften Enthaltung der Linken im letzten Akt, die SPD- und Grüne-Wahlleute spontan äußerten, sollte nicht so rasch vergessen werden. Rot-Grün in Berlin ist gut beraten, wenn man sich in diesem Lager nun für sehr lange Zeit abschminkt, dass mit den Dunkelroten demokratisch Staat zu machen sei.

Zum neuen Präsidenten: Christian Wulff hat Fingerspitzengefühl und Verbindlichkeit genug, um ein ordentlicher Bundespräsident zu werden. Joachim Gauck aber, so viel ist zu hoffen, wird die breite Anerkennung, die ihm in den vergangenen Wochen entgegen gebracht wurde, nutzen, sich weiter für Freiheit und Bürgerrechte zu Wort zu melden. Mit seinem "Wahlkampf", seinen öffentlichen Äußerungen als Kandidat hat er sich um sein Land und dessen politische Kultur verdient gemacht. Ihm gebührt Dank und den Parteien, die ihn nominiert haben, Anerkennung.


 

 

Arnd Brummer ist evangelischer Publizist, Geschäftsführer des Hansischen Druck- und Verlagshauses und Chefredakteur des Magazins chrismon und von evangelisch.de.