Wulffs Wahl könnte Aufbruchsignal sein
Die Regierung erntet Kritik von allen Seiten, die Opposition frohlockt. Vielleicht zu früh. Mit der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten könnte das Pendel umschlagen.
29.06.2010
Von Henrik Schmitz

Wer die Medien verfolgt, hat den Eindruck, dass es schlecht läuft für die Koalition aus CDU/CSU und FDP. Der Eindruck trügt nicht so ganz. Von allen Seiten hagelt es derzeit Kritik an der Regierung. Die Wirtschaft mäkelt, mit dem Sparpaket werde womöglich die Konjunktur abgewürgt, die Gewerkschaften warnen vor einer Umverteilung von oben nach unten. Die Medien, auch die konservativen, sind derzeit wie berauscht von Joachim Gauck und machen den Kandidaten Christian Wulff madig. Die FDP wiederum zeigt sich – ähnlich der Linkspartei – als ideologisch und wenig pragmatisch und spricht immer noch von Steuersenkungen. 

Eigentlich beste Voraussetzungen für die Opposition aus SPD und Grünen, die ja gerade auch eine Regierung in Nordrhein-Westfalen bilden wollen. Das könnte mit sehr viel Glück ein Erfolg für die beiden Parteien werden – auf mittlere Sicht aber vielleicht auch der einzige. Merkel und Westerwelle: Sie können sich eigentlich entspannt zurücklehnen und in aller Ruhe regieren.

Das Pendel schlägt zurück

Das "Problem Gauck" dürfte mit dem 30. Juni erledigt sein. Dann schlägt das Pendel zurück. Ein Sieg von Christian Wulff bei der Wahl ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aufgrund des starken Gegenwinds wird die voraussichtliche Wahl von Wulff nun aber ein Zeichen setzen: Schwarz-Gelb ist in der Lage, seinen Kandidaten durchzusetzen. Ein Signal des Macht- und Gestaltungswillens wird von der Wahl zum Bundespräsidenten ausgehen.

Wulff selbst könnte dann die Rolle einnehmen, die man sich eigentlich von Horst Köhler gewünscht hatte. Als stets sympathischer "Erklärer" schwarz-gelber Politik könnte er Wegbereiter einer Regierung sein, die es eigentlich schon gibt.

Keine Wahlen

SPD und Grüne werden auch in den kommenden Monaten viel zu mäkeln haben. Zu melden haben sie – außer ein wenig im Bundesrat – nichts. Wichtige Wahlen stehen für lange Zeit nicht mehr an. Erst im Frühjahr 2011 sind Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an der Reihe. Ein Machtverlust in Baden-Württemberg ist dabei sehr unwahrscheinlich, eher denkbar wäre da noch eine erste Koalition aus CDU und Grünen in einem Flächenland, was Merkels CDU nur recht sein könnte. In Rheinland-Pfalz regiert Kurt Beck mit absoluter Mehrheit. Zu verlieren haben CDU und FDP auch dort wenig.

Eigentlich gibt es nichts, was CDU/CSU und FDP daran hindern könnte, nun richtig loszuregieren. Gesundheitsreform, große Steuerreform, Zukunft von Rente und Pflege, Bildungsreformen: Die To-Do-Liste ist lang und kann Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Was die Zeitungen schreiben, kann Merkel und Westerwelle eigentlich egal sein. Die Bundestagswahl 2013 ist nicht verloren, wenn die Regierung Geduld hat und die Politik von CDU/CSU und FDP Erfolge zeigt.

Stolpern kann die Regierung eigentlich nur, wenn sie sich selbst ein Bein stellt und sich weiterhin zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Kanzler Schröder fehlte 2005 angesichts schlechter Umfragewerte und der Wahlniederlage in NRW Geduld; er setzte auf Neuwahlen und verlor die Kanzlerschaft. Der Aufschwung am Arbeitsmarkt 2006, der Schröders Aufschwung war, wurde Angela Merkel zugerechnet. Merkel wird Sigmar Gabriel das Kanzleramt eher nicht auf dem Silbertablett servieren.


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de.