Keine Angst vorm Arzt: Kinder in der Teddyklinik
In der Teddyklinik werden Kinder zu Eltern und ihre Kuscheltiere zu Patienten. Medizinstudenten üben mit Kindern den Ernstfall ein.
29.06.2010
Von Stefanie Walter

Elias legt den Teddybären Olaf auf den Operationstisch. "Und, was meinst du, ist der Bär gesund?" fragt Medizinstudentin Anne Kronfeldner. Elias schüttelt den Kopf: Sein Kuscheltier hat es schlimm erwischt, es ist die Treppe heruntergefallen. Anne Kronfeldner empfiehlt, nebenan erst mal ein Röntgenbild machen zu lassen.

Elias besucht mit seiner Kindergartengruppe die "Teddyklinik" auf dem Gießener Kirchplatz. Mehrere Zelte stehen dort, überall laufen Ärzte in weißen oder grünen Kitteln herum. Doch sie behandeln nicht Kinder, sondern Kuscheltiere. "Arztbesuche sind für alle Kinder beängstigend", erklärt die Medizinstudentin und Organisatorin der Gießener Teddyklinik, Stefanie Asmuth. "Aber hier sind die Kinder selbst die Eltern, und die Kuscheltiere müssen zum Arzt."

Auf Augenhöhe reden

Teddyklinik-Tage werden in regelmäßigen Abständen in zahlreichen deutschen Uni-Städten veranstaltet, etwa in Jena, Hannover, Tübingen, Regensburg, Greifswald oder Frankfurt. Die Idee stammt ursprünglich aus dem angloamerikanischen Raum und kam dann nach Skandinavien. OP-Schwestern organisierten eine Teddyklinik, um Kinder auf die Operationen vorzubereiten, erzählt die Marburger Psychologin Corinna Leonhardt, die als eine der ersten die Wirksamkeit einer Teddyklinik wissenschaftlich untersucht hat.

Die angehenden Ärzte sind alle freiwillig dabei. Studentin Anne Kronfeldner strahlt: "Es macht total viel Spaß. Die Kinder machen gut mit." Die 22-Jährige studiert im fünften Semester. Sie weiß, dass der weiße Kittel eine Barriere bildet zwischen Arzt und kleinem Patienten. "Kollegen aus der Kinderklinik haben uns vorher ein paar Tipps gegeben", erzählt Stefanie Asmuth. Zum Beispiel: mit den Kindern auf Augenhöhe reden. "Man darf die Kinder auch nicht in Babysprache ansprechen", hat Anne Kronfeldner gelernt. Gut ist es, wenn die Kleinen selbst mitmachen dürfen.

Kinder lernen dazu

Bär Olaf liegt mittlerweile unter einer roten Glühbirne. Klick, das Röntgenbild erscheint und zeigt eindeutig: Die Pfote ist gebrochen. Elias trägt sein Kuscheltier wieder zum OP-Tisch. Anne Kronfeldner legt einen kleinen Gips um den Teddy-Arm, und Elias wickelt einen Verband darum. "Die Kinder sind sehr interessiert", erzählt Erzieherin Berit Hofmann. "Und sie sind stolz, wenn die Teddys einen Verband tragen." Krankheiten und Arztbesuche seien bei den Kindern ein häufiges Thema. "Viele haben in dem Alter schon schlechte Zähne." Sie hätten Angst, wenn sie zum Zahnarzt müssten.

Corinna Leonhardt hat eine Studie über die Marburger Teddyklinik erstellt. Das Ergebnis: "Beim Gesundheits- und Krankheitswissen der Kinder gibt es deutliche Effekte. Die Kinder lernen dazu." Auf die Ängstlichkeit der Kinder habe der Besuch der Teddy-Klinik allerdings "nur geringe Effekte" gehabt. "Das hat uns selbst überrascht", sagt Leonhardt. Es sei aber auch sehr schwierig, bei Kindern im Vorschulalter die Ängstlichkeit zu messen.

Medizin und Tapferkeit

Teddy-Kliniken seien jedoch für die Wissenserweiterung sinnvoll. Das könne man sogar noch ausbauen, schlägt Leonhardt vor, und Kinder auf diese Weise über gesunde Ernährung, Sport und Bewegung oder richtige Zahnpflege aufklären. Schon jetzt weiten viele Kindergärten den Besuch der Teddy-Klinik zu einem größeren Projekt aus: "Dort, wo mehr Stunden in die Vorbereitung investiert wurden, hatten die Kinder ein größeres Wissen.

"Elias stapft mit Olaf zur "Apotheke". An dem Stand bekommt er eine "Tapferkeitsurkunde" und einen Beutel mit Medizin, "damit es dem Olaf bald wieder bessergeht", erklärt Anne Kronfeldner. In der Tüte stecken ein paar Süßigkeiten. "Das bemängeln manchmal die Eltern", gesteht Organisatorin Stefanie Asmuth. Aber die Kinder finden es natürlich super.

epd