Christian Wulff: Immer zielstrebig nach oben
Er gilt als Schwiegermutter-Typ und Saubermann, agiert ausgleichend und hinter den Kulissen: Doch jetzt hat Christian Wulff das höchste Amt in Deutschland erreicht. Und das mit nur 51 Jahren.
28.06.2010
Von Michael Grau

Aus seiner Nähe zur Kirche hat Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) nie einen Hehl gemacht. Erst in diesem Frühjahr war sein religionspolitisches Fingerspitzengefühl gefragt, als er seine neue türkischstämmige Sozialministerin Aygül Özkan (38) ermahnen musste. Sie hatte mit der Bemerkung, Kreuze gehörten nicht in Klassenzimmer, für Riesenwirbel in der Union gesorgt. Wulff beeilte sich festzustellen, dass seine Regierung über gute Kontakte zu den Kirchen verfüge. Er ist  nach Heinrich Lübke (1894-1972) der zweite Katholik im höchsten Staatsamt.

Mit 51 Jahren ist Wulff zugleich der jüngste Amtsinhaber, der jemals ins Schloss Bellevue oder die Bonner Villa Hammerschmidt eingezogen ist. Seine Biografie liest sich wie ein kompletter Gegenentwurf zur Generation der 68er: Mit 19 ist er Bundesvorsitzender der Schüler-Union. Mit 24 führt er die Junge Union in Niedersachsen. Mit 35 steht der Jurist an die Spitze des CDU-Landesverbandes.

Im kleinbürgerlich-katholischen Milieu in Osnabrück ist er in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Die Eltern trennen sich, als er zwei Jahre alt ist. Als er 15 ist, wird bei seiner Mutter Multiple Sklerose festgestellt. Wulff pflegt sie und kümmert sich auch um seine sieben Jahre jüngere Schwester Natascha.

Niederlagen gegen Gerhard Schröder

Als Schwiegermuttertyp und "Meister Proper" wird er betitelt, als er die politische Bühne in Niedersachsen betritt. 1994 und 1998 verliert er haushoch die Landtagswahlen gegen den sozialdemokratischen Kraftmenschen Gerhard Schröder. Doch Wulff, mit randloser Brille, akkuratem Seitenscheitel und stets korrekt gebundener Krawatte, lässt sich nicht entmutigen. Als Schröder Kanzler wird, gewinnt er 2003 mit triumphalen 48,3 Prozent die Wahl gegen den heutigen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel.

Als Ministerpräsident senkt er die Neuverschuldung, strafft die Verwaltung und führt das Zentralabitur bereits nach zwölf Jahren ein. Die Zukunft der jungen Menschen ist auch im Blick auf seine mögliche Präsidentschaft ein zentrales Thema, wie er oft betont: "Unsere Kinder und Enkel erwarten von uns keine Schuldenberge, sondern Freiräume für morgen."

Im Regierungsgeschäft agiert Wulff, der sich als liberaler Katholik sieht, eher ausgleichend und zieht die Strippen hinter den Kulissen. "Brücken bauen" und "Menschen zusammenführen" sei sein Anliegen, betont er immer wieder. Im Landtag zeigt er ganz präsidial auch schon mal Verständnis für die Opposition.

In Flüchtlingsfragen interveniert

Wenn es um Konfrontation geht, lässt er andere gewähren: Fraktionschef David McAllister (39) etwa, seinen politischen Ziehsohn, einen gewieften Rhetoriker. Der Deutschschotte soll ihn als Ministerpräsident beerben, falls Wulff nach Berlin geht. Oder Innenminister Uwe Schünemann (45), der sich gegen eine "Zuwanderung in die Sozialsysteme" durch Asylbewerber wehrt.

Auf Bitten der Kirchen hat Wulff sich in Flüchtlingsfragen immer wieder persönlich eingeschaltet. "Wir haben mit ihm einen verlässlichen Ansprechpartner", sagt der evangelische Bischof Friedrich Weber aus Braunschweig. In Härtefällen habe der Ministerpräsident so auch Abschiebungen verhindert. Auch beim Ladenschlussgesetz war Wulff der Rat der Kirchen wichtig. Beim Sonntagsschutz habe er so wenig Ausnahmen wie möglich zugelassen - bis auf einige Zugeständnisse an die FDP.

Einen Riss bekam das Bild des guten Katholiken Wulff, als er sich 2007 von seiner Frau Christiane scheiden ließ, mit der er 19 Jahre lang verheiratet war und eine Tochter hat. Bevor er 2008 die Pressereferentin Bettina Körner heiratete, eine Protestantin, fuhr er mit der Tochter Annalena nach Rom zu einer Privataudienz beim Papst.

Vom Abendmahl ausgeschlossen

Als wiederverheirateter Katholik bleibt er nun vom Abendmahl ausgeschlossen, da seine erste Ehe kirchlich weiter besteht. "Er wünscht sich, dass die Kirche hier Lösungswege findet", sagt Prälat Felix Bernard vom Katholischen Büro Niedersachsen. Werte wie Ehe und Familie sieht Bernard dadurch nicht infrage gestellt.

Für Kritik sorgte der Ministerpräsident dagegen jüngst mit einem Auftritt beim umstrittenen rechtskonservativen "Arbeitskreis Christlicher Publizisten", der nach Ansicht von Experten in der evangelischen Kirche eine marginale Rolle spielt und wenig mit Publizistik zu tun hat. Wulff berief sich darauf, dass der frühere Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) hier geehrt worden sei. Bischof Weber vermutet allerdings, dass Wulff über die Bedeutung des Kreises getäuscht wurde.

Seinen jüngsten Sohn ließ Wulff jenseits allen Medienrummels im Kloster Loccum nahe Hannover vom Abt und früheren Bischof Horst Hirschler taufen. Der kleine Linus Florian (2) wächst jetzt evangelisch auf.

epd