TV-Tipp des Tages: "Hundeleben" (ARD)
Schwerverbrecher sollen Blindenhunde ausbilden; also übernehmen Mörder und Mafiosi die Verantwortung für putzige Welpen. Bloß Mosk will bei dem Projekt nicht mitmachen.
25.06.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Hundeleben", 28. Juni, 22.45 Uhr im Ersten

Harter Hund trifft knuddeligen Vierbeiner, kann das Vieh aber zunächst nicht ausstehen: Natürlich weiß man, wie das weitergehen wird. Doch das ist nicht der Punkt in diesem Knastfilm von Jan Hinrik Drevs, der mit „Underdogs“ sein Regiedebüt abliefert. Entscheidend ist die Art und Weise, wie Drevs, der auch das Drehbuch geschrieben hat, seine Geschichte erzählt: als romantisches Drama nämlich. Trotzdem verzichtet er konsequent auf den Tiereffekt. Der sympathische Labrador, um den sich Knacki Mosk kümmern soll, wird nie als Disney-Geschöpf inszeniert und erst dann idealisiert, als er aus der Handlung verschwindet.

Drevs hat sich seine Geschichte der Wirklichkeit abgeschaut. Er selbst hat vor Jahren einen Dokumentarfilm („Dogsworld“) über ein US-Projekt gedreht: Im Rahmen des Resozialisierungsprojekts „Puppies Behind Bars“ (Welpen hinter Gittern) durften sich Gefangene um kleine Hunde kümmern. „Underdogs“ ist ein hübsch doppeldeutiger Titel für Drevs’ Transfer in eine deutsche Justizvollzugsanstalt: Schwerverbrecher sollen Blindenhunde ausbilden; also übernehmen Mörder und Mafiosi die Verantwortung für putzige Welpen. Bloß Mosk, von Thomas Sarbacher mit ehrfurchtgebietendem Brustkorb und vollem körperlichen Einsatz gespielt, will bei dem Projekt nicht mitmachen. Ausgerechnet er aber wird zwangsverpflichtet: Weigert er sich, darf er nicht an der internen Kraftmeiermeisterschaft teilnehmen. Prompt behandelt er seinen Schützling wie Dreck; bis das schlicht „Hund“ gerufene Tier beinahe stirbt.

Natürlich lebt der Film nicht zuletzt vom Gegensatz: hier die ungeheuer authentisch wirkenden Insassen (unter anderem Ingo Naujoks und Thomas Merten), dort die schutzlosen Tiere; und selbstredend schlummert unter den rauen Schalen der Knackis ein weicher Keks. Bloß Mosk bleibt sich treu und wirft seinen Zellengenossen regelmäßig achtkantig aus dem Bett, wenn der Labrador kuscheln will. Für die überzeugend agierenden Hunde war ein Tiertrainer zuständig, aber Drevs führt auch Mosks menschliche Gegenspieler (unter anderem Hark Bohm als Hundeausbilder) ausgezeichnet. Zum Glück hat er außerdem darauf verzichtet, der Leiterin des Gefängnisses (Clelia Sarto) und dem zu Beginn fast soziopathisch wirkenden Häftling auch noch eine unglaubwürdige Romanze anzudichten, selbst wenn es ein wenig zwischen den beiden knistert. Mosk muss seine romantischen Anwandlungen daher auf den später „Grappa“ getauften Hund konzentrieren und ist entsprechend untröstlich, als seine neue Freundin nach vollendeter Ausbildung zum Einsatz kommt; prompt hält es den Knacki nicht mehr im Knast.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).