Cocteau-Museum erinnert an ein bewegtes Leben
47 Jahre nach dem Tod des Ausnahmekünstlers Jean Cocteau wurde nun in der Nähe von Paris ein Museum eröffnet, das seinem komplexen Leben und vielfältigen Werk gewidmet ist.
25.06.2010
Von Sabine Glaubitz

Jean Cocteau war talentiert und hochgradig selbstverliebt.  Wahrscheinlich hatte das Universalgenie schon zu Lebzeiten von einem Museum geträumt, das seinen Namen trägt. Doch neben dem Schreiben, Malen, Zeichnen und Filme drehen blieb Cocteau für ein solches Projekt wohl kaum noch Zeit. In der Nähe von Paris wurde nun ein Museum geöffnet, das seinem komplexen Leben und vielfältigen Werk gewidmet ist.

Das "Maison Cocteau" liegt in dem charmant herausgeputzten Vorzeigeort Milly-la-Forêt in der Essonne - 50 Kilometer südlich von Paris. Es ist aus dem ehemaligen Haus des Multitalents entstanden. Cocteau lebte seit 1947 in dieser Gegend, die bekannt für ihre vielen Privatschlösser ist. Das Haus des Künstlers war einst eine Dependance des Château de la Bonde, dessen dicke Mauern noch heute an das neue Museum grenzen.

Die Umbauarbeiten zogen sich über acht Jahre hin. Ein Teil des Anwesens, das aus zwei Gebäudekomplexen und einem zwei Hektar großen parkähnlichen Garten besteht, wurde in klassische offene Ausstellungsräume umgewandelt. Salon, Arbeitszimmer und Büro wurden rekonstruiert, um die Atmosphäre heraufzubeschwören, in der einige seiner Meisterwerke entstanden.

Die drei Zimmer sind klein und für den heutigen Geschmack zu überladen. Riesige glänzende Metallpalmen, Rehbock-Plastiken und afrikanische Stühle spiegeln Cocteaus kolonial-exotischen Einrichtungsstil wider. In jedem der drei Räume steht ein Schreibtisch. Im Schlafzimmer vor dem Baldachinbett und dem Fenster könnte "Die Schöne und das Biest" entstanden sein. Durch das Fenster ist das Château de la Bonde aus dem 17. Jahrhundert zu sehen.

Doch Cocteau konnte von seinem Bett aus noch auf ein weiteres Schloss blicken: auf das von Jean Marais, eine riesige Wandmalerei, die der Schauspieler für seinen Liebhaber entworfen hat. Cocteau und Marais hatten das Haus gemeinsam gekauft. Sie waren eines der mythischen Paare von Paris wie einst Marcel Proust und Rinaldo Hahn oder Gertrude Stein und Alice Toklas.

Cocteau liebte sowohl Männer als auch Frauen. Mit den Autoren Jean Genet und Marcel Proust verband ihn eine enge Freundschaft, Pablo Picasso und Eric Satie entwarfen jeweils das Bühnenbild und die Musik zu seinem Ballett "Parade", und Modehäuser wie Chanel gaben bei ihm Modezeichnungen in Auftrag. Zu seinen Freunden zählte auch Pierre Bergé, der langjährige Lebensgefährte des verstorbenen Modeschöpfers Yves Saint Laurent, und wesentlicher Geldgeber des fünf Millionen teuren Museumsprojekts.

"Ich hatte dieses Projekt schon lange vor. Für mich ist die Realisierung des Museums ein wichtiges Stück Erinnerungsarbeit", sagte der Geschäftsmann, der 2002 das Haus für eine Millionen Euro erwarb. Verkäufer war der 42-jährige Stéphane Dermit, der älteste Sohn Edouard Dermits, Schauspieler, Künstler, Adoptivsohn, Liebhaber und Universalerbe Cocteaus. Mit ihm lebte Cocteau bis zu seinem Tod im Jahr 1963 in Milly-la-Forêt.

"In Milly habe ich das seltenste Gut der Welt entdeckt: einen idealen Lebensrahmen", schrieb Cocteau 1957. Hier entstand der Film "Die schrecklichen Eltern", aber hier arbeitete er auch an den beiden Werke seiner Orpheus-Triologie, "Orphée" und "Le testament d'Orphée", in denen Cocteau Themen behandelt, die ihn stets beschäftigt haben: Tod, Unsterblichkeit und Spiegel.

Manuskripte, Filmauszüge und Zeichnungen Cocteaus füllen die hellen Ausstellungsräume. Doch viele Bildnisse zeigen ihn selbst: Man Ray hat ihn abgelichtet, Picasso, Warhol und Buffet haben ihn gemalt, in schnellen, dynamischen Pinselstrichen. So wie Cocteau lebte und arbeitete.
 

dpa