Die führenden Industriestaaten und Russland (G8) beraten am Freitag über ein Ende der milliardenschweren Konjunkturprogramme. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich bis Samstag im kanadischen Huntsville, 220 Kilometer nördlich von Toronto. Erster Punkt auf der Tagesordnung ist die Lage der Weltwirtschaft. Zweites wichtiges Thema ist die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern.
Kanada lässt sich den G8- und den anschließenden G20-Gipfel in Toronto etwa 1,1 Milliarden kanadische Dollar (gut 860 Millionen Euro) kosten. Vor allem ein massives Aufgebot an Polizei verschlingt viel Geld. 12.000 Polizisten werden allein in Toronto zusammengezogen.
Sparen oder ausgeben auf Pump?
Während sich viele Volkswirtschaften in Asien nach der schweren globalen Krise erholen, warten vor allem die USA und große europäische Länder wie Großbritannien und Spanien weiter auf eine spürbare Besserung. US-Präsident Barack Obama hatte schon vor dem Gipfel seine europäischen Partnern gewarnt, staatliche Hilfen zu früh runterzufahren und so den beginnenden Aufschwung in den USA abzuwürgen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tritt unter dem Eindruck des Fast-Bankrotts Griechenlands auf die Spar-Bremse. Sie argumentiert, dass nur gesundende Staatshaushalte eine dauerhafte Erholung der Weltwirtschaft garantieren. Die deutsche Regierung hatte am 7. Juni das größte Sparpaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Bis 2014 sollen ungefähr 80 Milliarden Euro eingespart werden.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wies den Vorwurf zurück, die Europäer hätten ihre Staatsschulden nicht im Griff. "Die gesamtstaatliche Verschuldung der Eurozone ist niedriger als die Japans oder der USA", sagte Barroso nach der Ankunft in Toronto. Japan und USA sind ebenso Mitglieder der G8 wie Kanada, Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien.
Die Europäer wollen, dass spätestens von 2011 an die Defizite zurückgefahren werden. Die USA pochen hingegen darauf, notfalls auch mit staatlichen Mittel die Wirtschaft anzukurbeln, bis die Wachstumsraten rund um den Globus zulegen. Obama kämpft gegen eine hohe Arbeitslosigkeit im Land.
Gabriel: Investitionen müssen zu Sparpaketen dazu kommen
Vor dem G20-Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Kritik der USA an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unterstützt. "Wir müssen auch über Investitionen reden und nicht nur über Sparpakete", sagte er der "Financial Times Deutschland" (Freitag).
Mit Blick auf den G20-Gipfel in Toronto sprach sich Gabriel für eine härtere Regulierung der Finanzmärkte aus. "All die Aufsichtsmaßnahmen, die wir derzeit diskutieren, sind notwendig, aber nicht hinreichend", sagte er. "Das einzig richtige Instrument sei die sogenannte Volcker-Regelung, also eine strikte Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken. Wir müssen endlich ein Schild an die Eingangstür der Investmentbanken nageln, auf dem steht: Hier endet die Staatshaftung", sagte Gabriel.
Der Präsident des deutschen Sparkassenverbands, Heinrich Haasis, fordert Finanzmarktreformen, die stärker auf den Krisenverursacher zugeschnitten sind. Die geplante Bankenabgabe werde diesem Ziel aber nicht gerecht, sagte er der "Stuttgarter Zeitung" (Freitag). "Damit werden auch Kreditinstitute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken belastet, die keinen Anteil an der Krise haben", argumentierte der Sparkassenchef. Haasis hält eine Finanztransaktionssteuer für den besseren Weg, auch wenn diese zunächst nur auf europäischer Ebene eingeführt werden könnte.
G20-Gipfel
Der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte, die Europäer wollten sparen, um das Vertrauen wiederherzustellen. "Es geht nicht darum, dass wir ein Problem haben, die Defizite zu finanzieren." Ausnahme sei aber Griechenland, für das ein Rettungspaket von 110 Milliarden Euro aufgelegt wurde.
Dieses Thema wird von Samstag an dann auch den gleich anschließenden Gipfel der stärksten Wirtschaftsnationen (G20) in Toronto beschäftigen. Neben den G8-Staaten versammeln sich die Chefs von aufstrebenden Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien am Konferenztisch.
Van Rompuy mahnte mehr Öffnung in China an, ohne das Land direkt beim Namen zu nennen. "Es kann nicht sein, dass einige Länder vom weltweiten Handel profitieren und gleichzeitig Regeln für Investitionen und geistiges Eigentum manipuliert sind", sagte er.
Der internationale Druck auf China hat etwas nachgelassen, nachdem die Führung in Peking die feste Bindung der heimischen Yuan-Währung an den US-Dollar aufgehoben hatte. Ein schwacher Yuan macht chinesische Produkte im Welthandel günstig.
Barroso: G8-Versprechen nicht eingehalten
Harte Kritik mussten sich die G8 schon vor dem Gipfel von Hilfsorganisationen gefallen lassen. Mit zwei Protestaktionen forderten sie die G8 auf, ihre Versprechen im Kampf gegen Armut sowie Kinder- und Müttersterblichkeit zu erfüllen.
Im Tagungsort Huntsville wurden die Staats- und Regierungschefs zum einen als "schwanger mit Versprechen", zum anderen als "nackt" nur mit kanadischen Ahornblättern bedeckt dargestellt. Die Hilfsorganisation Oxfam prangerte an, dass noch immer Hilfen in Höhe von 20 Milliarden für die Ärmsten ausstünden.
2005 hatte die G8 versprochen, binnen fünf Jahren 50 Milliarden US-Dollar für die Dritte Welt zu mobilisieren. Barroso gestand ein, dass die G8 Versprechen nicht eingehalten haben. "Das sollte man ehrlich betrachten: Wir sind jetzt nicht im Zeitplan", sagte er.
Kritisiert wurde, dass jede Stunde etwa 1.000 Kinder unter fünf Jahren an Krankheiten sterben, die leicht zu vermeiden wären. Gastgeber Kanada setzte eine Initiative zum Kampf gegen Kinder- und Müttersterblichkeit auf die Tagesordnung des Gipfels.
Um die Zahl toter Mütter und Kinder deutlich zu verringern, sind laut Vereinten Nationen 24 Milliarden US-Dollar bis 2015 notwendig. Die Zusagen auf dem G8-Gipfel dürften weit darunter liegen. Kanada wird voraussichtlich eine Milliarde US-Dollar bereitstellen. Die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates hat ferner 1,5 Milliarden Dollar gestiftet.