Eigentlich interessiert sich Janet Mensah gar nicht für Fußball. Doch an diesem Abend ist alles anders. Wenn die Mannschaft Ghanas sich in Richtung deutsches Tor bewegt, feuert auch sie ihre Landsleute mit schrillen Schreien an. Ihre Schwester Joyce steht zu ihrer Fußballbegeisterung. Es hält sie kaum auf ihrem Sitz. Mit ihrer kaum zweijährigen Tochter Anita auf der Hüfte springt sie auf und jubelt, sobald ein guter Spielzug der ghanaischen Mannschaft zu sehen ist.
Als einzige der evangelischen ghanaischen Gemeinde ist sie zu diesem gemeinsamen Public Viewing in traditioneller afrikanischer Kleidung gekommen. Ihr farbenfroh gemusterter Kopfputz wippt ebenso wie Töchterchen Anita im Rhythmus der Begeisterungssprünge auf und ab. Sie ist aber nur eine von 200 Fans, Deutsche wie Ghanaer, die in den Gemeindesaal der Maria-Magdalena-Gemeinde in Frankfurt-Sachsenhausen gekommen sind, um ganz bewusst gemeinsam dieses Spiel anzuschauen.
Vuvuzelas für alle!
Die rund 80 Mitglieder umfassende evangelische ghanaische Gemeinde ist seit 13 Jahren Gast in diesen Räumen. Hier hält sie ihre sonntäglichen Gottesdienste, hier trifft sie sich auch während der Woche zum gemeinsamen Gebet.
"Die WM war für uns eine Gelegenheit, mal auf einer ganz anderen Ebene etwas gemeinsam zu tun", sagt Pfarrer Volker Mahnkopp. Sonst feiern die Evangelischen der Maria-Magdalena-Gemeinde mit ihren ghanaischen und koreanischen Gastgemeinden einmal im Jahr einen "Drei-Kontinente-Gottesdienst". "Sich zum Fußballschauen zu treffen, war ein Experiment", sagt Mahnkopp und freut sich, dass es gelungen ist.
Die Stimmung ist gut und die Farben der Fans unterscheiden sich nur wenig. Während die Deutschen ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen schwingen und die Gesichter entsprechend geschminkt haben, leuchten bei den Ghanaern die Farben rot, gold und grün. Bei ihnen dominieren Sport-Trikots mit der Aufschrift "I Love Ghana", während bei den Deutschen etwa "Jogis Co-Trainer" für sich wirbt. Die Klänge der auch hier unvermeidlichen Vuvuzelas feuern beide Mannschaften gleichermaßen an.
Ein schöner Abend ohne Verlierer
Nur beim Abspielen der Nationalhymnen zeigt sich ein klarer Unterscheid. Während die Menschen aus Ghana energisch aufspringen und mit der Hand auf dem Herzen ihre Hymne laut schmettern, brauchen die Deutschen ein bisschen, bis sie sich erhoben haben. Doch bis zum Refrain "Blüh im Glanze dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland" habe sich alle zusammengefunden. Und in diesem Moment ersehnen wohl alle das besungene Glück für die nächsten zwei Stunden ausschließlich für die deutsche Elf, die bei ihrem Spiel gegen Serbien so eine unglückliche Figur gemacht hatte.
In der Halbzeitpause sind vor allem besorgte Gesichter bei den Deutschen zu sehen, während die ghanaischen Zuschauer ungebrochene Begeisterung zeigen. Große Erleichterung nach dem Tor von Mesut Özil. Die breitet sich auch auf die afrikanischen Zuschauer aus, als das Ergebnis des Spieles Australien gegen Serbien eingeblendet wird. Auch Ghana bliebt drin, so viel ist klar.
"Solch ein Ergebnis haben wird uns gewünscht", sagt Volker Mahnkopp: "Es gibt keine Verlierer". Er kann sich nun sogar vorstellen, noch eine Public-Viewing-Veranstaltung auf die Beine zu stellen, sollten Deutschland oder Ghana eventuell gegen Korea spielen. Und er vergisst auch nicht, seinem ghanaischen Pfarrerkollegen einen besonderen Gedanken zu widmen. Der muss an diesem Abend nämlich, statt Fußball zu schauen, eine theologische Prüfung ablegen: "Hoffentlich geht es für ihn 1:0 aus:"
Liselotte Wendl ist freie Journalistin in Frankfurt am Main.