Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Mittwoch über das umstrittene Gentechnik-Gesetz verhandelt. Das Land Sachsen-Anhalt hatte dagegen geklagt, weil es die darin formulierten strengen Auflagen für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen für verfassungswidrig hält. Das 2004 von der damaligen rot-grünen Bundestagsmehrheit novellierte Gesetz soll das Nebeneinander von herkömmlichen Nutzpflanzen und gentechnisch veränderten Organismen regeln.
Während der Bundestag und Umweltverbände wie der BUND das Gesetz verteidigten, sahen die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesamt für Verbraucherschutz keine Belege für Gesundheitsgefahren. Bis zu einer Entscheidung des Gerichtes wird es noch mehrere Monate dauern.
Verfassungsrichter Brun-Otto Bryde sagte, nicht nur die rechtlichen Bestimmungen, auch die tatsächlichen Chancen und Risiken der Gentechnik seien "hoch umstritten". Befürworter sähen in der "grünen" Gentechnik die Fortsetzung der Pflanzenzüchtung mit anderen Mitteln, Kritiker einen Eingriff in die "Grundstrukturen des Lebendigen". Als gentechnisch verändert würden Organismen bezeichnet, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder in der Natur auftretende Vermischung des Erbguts nicht vorkommen.
Risiko einseitig auf Verwenden verlagert
Der Bevollmächtige der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, Marcel Kaufmann, sagte, die Regelungen schränkten die Forschung, die Entwicklung und den Anbau der Gentechnik stark ein und seien daher verfassungswidrig. Ferner stelle das Standortregister, in dem alle Felder mit gentechnischem Anbau genau aufgelistet sind, eine erhebliche Belastung dar. "So wird jeder Freisetzungsversuch zu einem erheblichen finanziellen Risiko", sagte Kaufmann. Zudem werde das Risiko einseitig auf die Verwender genmanipulierter Pflanzen verlagert.
Unterstützung erhielt Kaufmann von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und vom Bundesamt für Verbraucherschutz. Sie sehen keine Belege für Gesundheitsgefahren bei in der EU zugelassenen gentechnisch veränderten Produkten. Allerdings sei eine individuelle Risikobewertung notwendig, sagte der wissenschaftliche Direktor des Bundesamtes, Detlef Bartsch. Ein vollständiger Ausschluss von Risiken sei nicht möglich.
Ricardo Gent von der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie sagte, die Biotechnologie gehöre heute schon zum Alltag, auch wenn das nur wenigen bewusst sei. Blieben die strengen Regelungen erhalten, drohe Deutschland bei der Entwicklung solcher Technologien weiter zurückzufallen.
Schutz der Umwelt hat höchste Priorität
Vertreter von Bundestag und Bundesregierung verteidigten dagegen die bestehenden Regelungen. "Die Erfahrungen damit sind bisher durchweg positiv, alle Interessen kommen angemessen zur Geltung", sagte der Bevollmächtigte der Bundesregierung, Gerhard Robbers. Staatssekretär Robert Kloos (CDU) vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erklärte, der Schutz der Umwelt habe höchste Priorität für die Bundesregierung.
Die Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken (Grüne) sagte, es gebe kein Recht darauf, schrankenlos gentechnisch verändertes Saatgut auszubringen. Der Gesetzgeber habe mit den Regelungen ein "Mindestmaß an Spielregeln erlassen". Helle Thierfeldt vom Bundesumweltministerium sagte, Veränderungen und Beeinträchtigungen am Ökosystem seien "nicht mehr rückholbar".
Auch für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sind die Auflagen im Gesetz gerechtfertigt. "Agrogentechnik ist eine Risikotechnologie", sagte Heike Moldenhauer vom BUND. Es müsse "selbstverständlich" für Landwirte das Recht erhalten bleiben, ohne Gentechnik produzieren könnten. Auch der Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft geht von einer "sehr konkreten Gefahr" aus. Die Verbraucher hätten ein Recht auf gentechnikfreie Produkte.