Die 88 Mitgliedstaaten der Internationalen Walfangkommission (IWC) sollen im marokkanischen Agadir über ein Textentwurf abstimmen, der den kommerziellen Walfang nach rund 25 Jahren wieder in engen Grenzen erlauben würde. Die Fangquoten für Japan, Island und Norwegen sollen allerdings geringer werden als die rechtlich umstrittenen Fänge von derzeit insgesamt rund 1.500 Großwalen pro Jahr. Weitere Nationen dürfen nach dem Papier keine Wale kommerziell fangen.
Bestechung und verschlossene Türen
Der bisherige IWC-Vorsitzende war angeblich aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Marokko gekommen. Sein Vertreter ist Anthony Liverpool, der Botschafter des Staates Antigua und Barbuda in Japan. Nach Recherchen der britischen Zeitung "Sunday Times" hat Japan ihm die Reise nach Agadir und die Unterbringung im Luxushotel bezahlt. "Wenn die IWC-Staaten diesen Vorsitzenden weiter dulden, dann dulden sie eine korrupte Walfangkommission. Die IWC verliert damit ihre Glaubwürdigkeit", sagte Sandra Altherr von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife.
"In den letzten 20 Jahren zahlte Japan Milliarden Dollar an Staaten der Karibik, des Pazifiks und Afrikas, die seither der IWC beitraten und Japans Walfanginteressen unterstützen", sagte Altherr. "Ich selbst habe auf IWC-Tagungen schon Delegierte aus Karibikstaaten gesehen, die erst ihre Online-Kontoauszüge prüften, bevor sie ihre Wortmeldungen im Sinne Japans machten."
Besonders empört waren die Tierschützer zudem darüber, dass die IWC im Agadir zunächst hinter verschlossenen Türen tagt. "Die Kommission sticht als undemokratisches Gremium heraus", sagte Nicolas Entrup von der Wal- und Delfinschutzorganisation WDCS.
Deutsche Delegation wird Diskussionspapier nicht zustimmen
Um das jahrzehntelange Patt im Streit um den Walfang von Japan, Norwegen und Island aufzulösen, hatte IWC-Chef Cristian Maquieira zur IWC-Konferenz ein Kompromisspapier vorgelegt. Maquieira will den Walfang innerhalb strenger Quoten für zehn Jahre legalisieren, der Handel mit Walfleisch soll aber verboten bleiben. Doch diesen Kompromiss wollen weder Walfangländer noch die Walschützer annehmen.
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"Das Papier hat zwar einige brauchbare Ansätze, aber es ist nicht zustimmungsfähig für uns", sagte der Leiter der deutschen Delegation, Gert Lindemann. "Es darf nicht, wie derzeit noch vorgesehen, einen Fang in Schutzgebieten geben. Der Walfang muss stärker als geplant reduziert und der kommerzielle Fang ganz beendet werden", sagt Lindemann.
"Alle wissen, dass etwas passieren muss", betont die Meeresbiologin Petra Deimer, die wissenschaftliches Mitglied der deutschen Delegation ist. Das Papier habe jedoch viele Fehler. "Wenn überhaupt, dann müssen die Fangquoten vom IWC-Wissenschaftsausschuss kommen, nicht wie jetzt von der Politik", fordert Deimer, die selbst auch im IWC-Wissenschaftsausschuss sitzt.
Auch Walfang-Staaten haben Kritik an dem Kompromissversuch
Der Bundestag lehnte das Papier kategorisch ab. In einem fraktionsübergreifenden Antrag stimmten die Parlamentarier gegen das Vorhaben, Japan, Island und Norwegen wieder Fangquoten einzuräumen. Zudem müsse ein Kompromiss ein Ausstiegsszenario enthalten, das nach einer Übergangszeit zum kompletten Aus für den kommerziellen Walfang führt.
Auch von den Walfangländern kommt Gegenwind gegen das Kompromisspapier: Island wendet sich gegen das darin vorgesehene Handelsverbot für Walfleisch. Japan sind die genannten Fangquoten zu gering und Norwegen sieht "viele ungelöste Punkte".
"Das Papier hat positive Seiten wie ein absolutes Handelsverbot", bemerkt Ralf Sonntag vom Internationalen Tierschutzfonds IFAW. Und immerhin: "Die erlaubten Quoten in dem Kompromisspapier sind etwas kleiner als die derzeitigen Fänge." Die Fangquoten müssten jedoch langfristig auf Null herabgesetzt werden. Sonntag fordert, auf höhere politischer Ebene über den Walfang zu sprechen - vielleicht sogar auf einem G8-Gipfel.
Überprüfung der Quoten ist schwierig
Meeresbiologin Deimer gibt zu bedenken: "Wenn man Walfang erlaubt, werden sich die Länder an die Quoten halten?" Zudem müssten die Quoten alle ein bis zwei Jahre überprüft und an die Zahl der Wale angepasst werden. "Wenn es schon Quoten gibt, dann auf keinen Fall für zehn Jahre", sagt Deimer. Wichtig wäre es auch, die durch Beifang und Schiffsunfälle getöteten Wale zu berücksichtigen. "Würde man alles korrekt einrechnen, käme der Walfang bald zum Erliegen."
Die Zeit drängt, erläutert Deimer. "Momentan drohen die Japaner damit, ein neues Fangschiff zu bauen. Und wenn sie das tun, dann muss das auch erstmal wieder einige Jahre in die Antarktis fahren, damit es sich wenigsten ein bisschen rentiert." Daher müsse vor dem Bau des Schiffs die Bremse gezogen werden. Auch Sonntag meint mit Blick auf das Walfangschiff: "Wenn, dann gibt es jetzt eine Chance einzugreifen."
"Es sind rund 35.000 Wale seit dem Moratorium 1986 getötet worden von Norwegen, Island und Japan und noch einmal 8.000 von indigenen Völkern", sagt Deimer, die kürzlich auch die Daten von 2009 in ihre Analyse aufgenommen hat. Sie gibt die Hoffnung auf eine Lösung für das Wal-Patt nicht auf: "Ich denke, dass der Ansatz des Kompromissvorschlags richtig ist, nur die Bedingungen sind unmöglich. Da muss noch viel gearbeitet werden." Das sei nicht ungewöhnlich, in der IWC dauere alles lange. Auch das Walfang-Moratorium habe rund 20 Jahre bis zum Einsatz benötigt.